Tabakanbau hinterm Haus

Als hinterm Haus und im Schrebergarten der Tabak angebaut wurde
Die Notlage im Krieg und in der Nachkriegszeit machte die Raucher erfinderisch


Foto: © Ulrich Göpfert

Willy Büchner aus Dörfles-Esbach hat ein Tabakschneidegerät, das Jahrzehnte lang in seinem Lager vor sich hinrostete, aus Anlass meiner Reportage dort entnommen, es entrostet und neu gestrichen. Er erzählte mir dazu einige heitere Episoden aus dieser Zeit

Das Rauchen haben die Indianer erfunden. Durch spanische Seeleute kam es im 16. Jahrhundert nach Europa. Tabak wurde erstmals von dem Franzosen Nicot 1560 angepflanzt, zunächst als Heilpflanze. Heute wird der Tabak in allen warmen und gemäßigten Gebieten der Erde angebaut. Wertvolle Sorten liefern besonders die USA (Virginia, Kentucky), Ostindien, Mittelamerika (z.B. Havanna), Brasilien, Balkan und die Türkei (Orienttabake). Bei uns in Deutschland wird er noch in der Oberrheinischen Tiefebene angebaut sowie in Mittelfranken in der Gegend von Roth bei Nürnberg. In Mitteleuropa wird die frostempfindliche Pflanze bis 2 Meter hoch, die Blätter können eine Länge von 50 cm erreichen. Zwar wird nur aus seinen Blättern Rauchtabak hergestellt, doch enthält die ganze Pflanze Nikotin, das als starke Konzentration als Gift wirkt. Das Rauchen gesundheitsschädlich ist, ist allgemein bekannt. Nach wie vor bietet aber die Tabaksteuer, eine gute Einnahmequelle für den Staat.

Im Landkreis und in der Stadt Coburg herrschte, wie überall in Deutschland, im 2. Weltkrieg und auch danach bis zur Währungsreform großer Mangel an Nahrungsmittel, Kleidung und allen anderen Dingen des täglichen Lebens. Die zu knappe Ernährung verlangte zusätzliche Maßnahmen, wie die Ausnutzung der Sportplätze, Vorgärten, Blumenbeete, ja Blumentöpfe zum Anbau von Gemüse, Salat, Tomaten usw., die Verwertung der Zuckerrübe zur Herstellung von Zucker-Sirup, das Lesen und amtliche Schlagen von Brennholz in den staatlichen Wäldern, ja den Anbau von Tabak, weil die Rauchwarenzuteilung vielen Rauchern nicht reichte. Die Landbevölkerung tat sich damals leicht im Vergleich zu den Städten. Wer in der Stadt einen Garten oder auch nur einen Vorgarten besaß, nutzte diesen für diese Zwecke.

Der Dörfles-Esbacher Willy Büchner, Seniorchef des bekannten Fuhrunternehmens am Ort, besitzt noch ein Relikt aus dieser Zeit des Tabakanbaues. Er konnte dem Autor eine selbstgebaute Tabakschneidmaschine, die noch funktionsfähig ist, aus dieser Zeit vorführen und wusste interessantes über die damals herrschenden Notzeiten zu berichten. Eigens für meinen Besuch hatte er die Maschine aus ihrem alten Lager geholt, entrostet und neu angestrichen.


Foto: © Ulrich Göpfert

Diese Tabakschneidmaschine ist der Nachbau einer Futterschneidmaschine. Durch das Verstellen der Zahnräder konnte man mit ihr einen Feinschnitt für Zigaretten und mit einer groben Schnitteinstellung den Pfeifentabak gewinnen. Der Tabakanbau wurde in Dörfles damals zum größten Teil in den Haus- und Schrebergärten durchgeführt. Die Zuteilung der Tabakpflanzen erfolgte über das Landratsamt/Gemeinde und richtete sich nach der Anzahl der männlichen Personen in den einzelnen Haushalten.

Die Schrebergärten wurden damals in Pacht an die Dörfleser Einwohner vom Landwirt Ulmann, dem Besitzer des Rittergutes Neudörfles, vergeben. Diese Schrebergärten waren unterhalb des Herzogsweges an der "Alten Kläranlage"  in Richtung des ehemaligen Badeplatzes zwischen dem Erlesgraben (einem Drainagegraben) und der Itz gelegen. Sie bestanden dort bis Anfang der 50iger Jahre. Danach wurde in der Nähe der Paschendaele-Kaserne eine neue Schrebergartenanlage durch den Obst- und Gartenbauverein Dörfles erstellt.


Foto: © Ulrich Göpfert

Willy Büchner erzählte dem Autor eine Episode aus dieser Zeit, die zum Schmunzeln Anlass gibt:
Der "Blacher-Heiland", so wurde Emil Dorn genannt, war während des Krieges Gemeindediener in Dörfles. Der Vater von Willy Büchner, Gustav Büchner war zu dieser Zeit Bürgermeister und betrieb eine Landwirtschaft und einen Fuhrbetrieb. Der "Bleiche-Heiland"  hat sich dort als Erntehelfer ein Zubrot verdient. Die aus den selbst angebauten Tabakpflanzen gewonnen Blätter waren vor dem Schlafzimmerfenster auf dem Hof von Gustav Büchner zum Trocknen aufgehängt.

Emil Dorn war klein von Gestalt und hatte öfters auf dem Hof zu tun. Dabei benutzte er die Gelegenheit und sprang vor dem Schlafzimmerfenster in die Höhe um einige Tabakblättern zu erhaschen. Da er diese aber meist nicht zum Rauchen verwendete, sondern "priemte", also als Kautabak benutzte, fiel seine unberechtigte Entnahme immer wieder auf, denn der Saft lief ihm dabei links und rechts aus den Mundwinkeln.

Der Tabak war aber nicht nur beim "Bleiche-Heiland" ein Objekt der Begierde, sondern auch bei den Söhnen von Gustav Büchner, Willy und Waldemar. Der Vater hatte in weiser Voraussicht den getrockneten und bereits geschnittenen Tabak in einem alten Reisekoffer unter seinem Bett verstaut. Aber die beiden Söhne wussten vom Ort der Lagerung und haben sich daraus bedient. Das diese "Lumperei"  irgendwann einmal auffallen musste war abzusehen. Beste Zeit zum Rauchen war für die beiden Söhne von Gustav Büchner beim Viehhüten auf den Auwiesen unterhalb von Dörfles. "Ihre Zigaretten"  hatten sie sich vorher aus den Zeitungsrändern gedreht und auf dem Ort der Viehweide wurde aus alten LKW-Planen ein Zelt erstellt. Zu diesen "Meetings"  hatten sich meist ihre Spezies eingefunden. Es waren Walter Dorn, Harald Büchner (dieser hatte bei seinem Großvater dem Gastwirt Wilhelm Schneider, jetzige Gastwirtschaft Büchner), als Ergänzung des bevorstehenden "Rauchvergnügens noch Zigarren und Streichhölzern "organisiert". Außerdem waren mit von der Partie: Rolf Weigand, Horst Fischer und Günter Straubel, der harte Kern des Jahrganges 1935, wie mir Willy Büchner versicherte.

Eines Tages wurde von einem Einwohner aus Dörfles bei Gustav Büchner gemeldet, dass eine starke Rauchentwicklung aus dem "berüchtigten Zelt"  auf den Auwiesen zu sehen ist und ein Brand zu befürchten sei. Gustav Büchner war zu diesem Zeitpunkt stark beschäftigt und beauftragte deshalb Arno Kauper, der als Fahrer bei ihm angestellt war, dort nach dem Rechten zu sehen.

Was war das "Ende vom Lied"?  Er hat die jungen Burschen beim Rauchen erwischt und auf Grund dessen, jeden eine "Tracht Prügel"  verabreicht. Doch damit nicht genug. Zu Hause angekommen, bekamen sie von ihren Vätern noch eine "ordentliche Belobigung" zusätzlich verpasst.

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