„Eine Weihnacht auf dem Lande“

Drucken

Eine lustige Knaben- und Weihnachtsgeschichte
von Heinrich Schaumberger, dem fränkischen Heimatdichter

Schaumberger01
Heinrich Schaumberger
Repro: Ulrich Göpfert

Schauberger hatte im Oktober und November 1872 so angestrengt an der Erzählung „Zu spät“ gearbeitet, dass er sich eine Erholungspause gönnen musste, wenn er sein ohnehin ungünstiges Befinden nicht arg verschlechtern wollte. Da er aber nicht untätig sein konnte, nahm er sehr bald die Bearbeitung eines Stoffes vor, der ihm besonders lieb und teuer war. In einem Zug schrieb er die lustige Kinder- und Weihnachtsgeschichte „Eine Weihnacht auf dem Lande“ nieder.

Soviel Freude ihm diese Arbeit nach der Beschäftigung mit der tiefernsten Geschichte „Zu spät“ auch machte, bei den Redaktionen fand sie keinen Anklang. So ist die Erzählung erst im 9. Band der „Gesammelten Werke Schaubergers“ zum Abdruck gekommen, der unter dem Titel „Aus der Mappe des Verstorbenen“ einige kleiner Erzählungen und Aufsätze, Gedichte und Briefe enthält.

Wenn sie auch hier Aufnahme findet, so geschieht das nicht bloß, weil sie in ihrer humoristischen Färbung gleichfalls für das Talent ihres Verfassers zeugt, sondern auch, weil sie das Lebensbild des Dichters vervollständigt; denn eigene Jugenderlebnisse sind es, die Schaumberger hier berichtet.

Schaumberger 02
In diesem Hof in Weißenbrunn vorm Wald lebten die Großeltern und Mutter
von Heinrich Schaumberger. Hier verbrachte er einen Teil seiner Kinder- und Jugendzeit
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Der kleine Held der Geschichte ist er selbst, wenn er ihm auch den Namen seines eigenen Sohnes (Karl) gegeben hat. Auch seine Eltern und Großeltern sind getreu nach dem Leben geschildert. Dasselbe gilt von Weißenbrunn und seinen Weihnachtsgebräuchen. Das Schäfer-Christspiel kam zu Schaubergers Jugendzeit in Weißenbrunn noch oft zur Aufführung. Die Wiedergabe desselben dürfte daher auch für alle diejenigen von Interesse sein, denen die Erhaltung von Volkstum am Herzen liegt.

Schauberger 03
Winter in Weißenbrunn vorm Wald (Bergheim)
Illustration von Rudolf Köselitz
Repro: Ulrich Göpfert

…und hier ein Auszug aus „Eine Weihnacht auf dem Lande"
…war nicht abends Christbescherung? Dazu leuchteten durch die Spalten der Stubentür muntere Kinderaugen, in allen möglichen Stimmlagen wisperten die Körbstrickersmädchen – ein ganzes Rudel! – „Karle – Karle!“. Manchmal entstand auch ein Gepolter und unterdrücktes Schelten draußen, dann verschwanden die Mädchen und es zeigte sich das schlaue Gesicht des Schusterhanfrieder, und sein Nicken und Blinzeln sagte: „Karle, so mach` doch, ich hab` was für dich!“ Karl schluckte und würgte, was er vermochte, so schnell, wie es Hanfrieder wünschte, kam er doch nicht los. Als seine Lockungen ohne Erfolg blieben, verschwand Hanfrieder vom Türspalt, und plötzlich geschah draußen ein heftiger Knall. Die Frauen fuhren erschrocken in die Höhe, selbst die Männer sahen sich erstaunt an. „Was war das?“ tönte es gleichzeitig von allen Lippen. Nur Karl war gar nicht erschrocken, wie ein Wiesel glitt er hinter dem Tisch hervor, rannte auf die Tür los und schrie aus vollem Hals „Hanfrieder, die Knallbüchse ist mein, ich gebe dir meine Zuckertüte dafür!“ – Die ganze Tischgesellschaft brach in ein herzliches Gelächter aus, der Vater fasste den Flüchtling ab, als er eben aus der Tür wischen wollte, und der Großvater ward nun abgesandt, die kleinen Störenfriede zu vertreiben und die Haustüren zu schließen.

Karl lag die Knallbüchse in Gedanken; der Hanfrieder wird sie doch nicht verpaschen, während er hier sitzen und essen muss?

Schaumberger 04
Einsamer Wanderer stapft durch den Schnee in Weißenbrunn vorm Wald (Bergheim)
Illustration von Rudolf Köselitz
Repro: Ulrich Göpfert

Da meinte der Großvater zum Großknecht: „Hansjörg, wir hätten doch eher an die Tannenäste denken sollen!“ „Ach nein“, war die Antwort, „das bissle Schnee verschlägt nichts. Wenn`s euch recht ist, geh` ich nach dem Essen gleich hinaus ins Holz, dass die Äste noch ein wenig ablaufen und trocknen bis zum Abend.“

„Ins Holz?“ fragte Karl. „Papa, da muss ich auch dabei sein.“

„Ich trag dich Karle!“ lockte der Kleinknecht, ein stämmiger Bursche von 16 Jahren. „Ich zeig` dir Eichhörnle droben!“ „Unsinn“, erklärte die besorgte Mutter. „Mache dem Schlingel auch noch was weiß, Kasper. Nichts, Karl, du bleibst zu Haus!“

„Warum, Mutter?“ fragte der weniger ängstliche Vater. „Wenn ihn der Kasper tragen und in Acht nehmen will, gönne ihm doch das Vergnügen. Es gibt nichts Herrlicheres als einen beschneiten Tannenwald, und Karl hat nicht oft Gelegenheit, einen zu sehen. Müssten wir nicht den guten alten Pfarrherrn besuchen, ich ging selber mit hinaus.

Karl zappelte mit Armen und Beinen, aber die Großmutter schlug die Hände zusammen und rief: „Ach, um alles in der Welt, Sohn, das wird doch dein Ernst nicht sein? Keinen Hund jagt man bei solchem Wetter vor die Tür und das Kind soll in den Wald? – Nein, dass geb` ich nicht zu!“

„Ach was, Wetter!“ lachte der Lehrer. „Es ist nicht kalt, geht fast kein Wind – was ist da zu befürchten? Verderbt dem Kleinen die Freude nicht, lasst ihn mit!“

„Es könnte was passieren!“ warf die Mutter ein. „Sei nur ruhig, Marie“, meinte der Großvater, der Junge soll sein Vergnügen haben, ich geh`selber mit. – Lasst mich nur, ich bin noch nicht zu steif und muss noch andere Sachen durchmachen. Haltet nur einen heißen Kaffee bereit!“

Da eben das Essen beendet war, traf man ohne Säumen Anstalten zum Aufbruch. Karl ward wohl verpackt dem Kleinknecht fest auf den Rücken gebunden, und nachdem der Lehrer den beiden Knechten noch ein Trinkgeld versprochen, wenn sie den Kleinen heil und gesund heimbrächten, ging es den Lindberg hinauf, und bald verschwand die kleine Gesellschaft in den Tannen des Schwarzholzes…

Schaumberger 05
Heinrich Schaumbergers Wirkungsstätte: Das ehemalige Schulhaus in
Weißenbrunn vorm Wald wurde zum Heimatmuseum umgestaltet.
Foto: © Ulrich Göpfert

Wenn Sie sich für das Leben und Wirken von Heinrich Schaumberger interessieren, sollten Sie unbedingt das Heinrich-Schaumberger-Museum in Weißenbrunn vorm Wald besuchen.

Heinrich-Schaumberger-Museum
Öffnungszeiten:
Nach Terminvereinbarung mit Familie Ehrlicher,
Weißenbrunn vorm Wald, Bergheimstr. 29, Tel. 09563/1619