"Lösche mong g`höe"

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Eine heitere Episode verfasst vom unvergessenen
Heimatschriftsteller Emil Herold aus Neustadt bei Coburg

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"Also, anno zwölf ist` s gewesen zu Napoleons Zeiten"
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Heute eine weitere Episode vom Maler Schulz, im Text genannt: Maler Krebs, aus dem Buch "Muggiburg" vom Heimatschriftsteller Emil Herold. Sehen Sie bitte hierzu auch meine Beiträge unter Archiv - Persönlichkeiten: Geschichten vom Heimatschriftsteller Emil Herold - damit Sie die Zusammenhänge besser verstehen können. Noch eine weitere Anmerkung von mir: mit "Muggiburg" ist die Stadt Neustadt bei Coburg gemeint.

Also, anno zwölf ist` s gewesen. Zu Napoleons Zeiten. Tagelang sind die Franzosen durch Muggiburg marschiert. Keiner hat einen Laib Brot mehr im Haus gehabt. Wie wenn ein Millionenschwarm weißer Schmetterlinge über die Krautäcker gekommen ist, so hat` s ausgesehen bei uns. Wer noch ein paar Ochsen im Stall gehabt hat, den haben die Franzosen in ihre Bagage eingereiht. Mein Urgroßvater, der Peter Eckstein, hat einen heiligen Respekt davor gehabt, französischer Bagagenfuhrmann zu werden. Aber schließlich wurde auch er mit seinen zwei Ochsen zur "grande armee" kommandiert. "Morgen früh um fünf Uhr steht sein Gespann auf dem Marktplatz!! Hat er verstanden??"

Am Abend geht mein Großvater noch voller Sorgen auf einen Sprung in den Ratskeller. Der war damals in dem Hause des Hut-Schreiners. Ein paar ältere Fuhrleute sitzen da, die das Leiden eines französischen Heeresfuhrmannes aus früheren Kriegen kannten. "Bis nach Magdeburg bin ich noch mit" sagte einer von ihnen. "Dann hab` ich meine Ochsen im Stich gelassen und bin durchgegangen." Einen zweiten hat` s schlimmer getroffen. Nach einem missglückten Fluchtversuch hat er dreimal Spießruten laufen müssen. Dem alten Eckstein wird` s angst und bang bei den Erzählungen. Die anderen freuen sich an seinen Qualen. "Wenn man die Franzosen bloß verstehen tät", sagte er. "Aber die machen ein Gepolatsch daher, dass man lachen möchte!" Ach, sagt der eine, viel braucht man eigentlich von dem Französisch gar nicht zu verstehen. Wenn Du einen Franzosen nicht verstehst, brauchst Du ihm bloß zu sagen: "Lösche mong g`höe!" “Das ist wie ein Zauberwort."

Der Herr Superintendent und der Oberamtsrichter lachten lauf auf: "Das ist ja glänzend! Das ist glänzend, lieber Herr Krebs". Nun gut fuhr der Maler Krebs fort. Mein Urgroßvater sieht seinen Freund groß an. "Wie muss man da sag? Wie heißt das Zeug?"

"Lösche mong g`höe!" "Lösche mong g`höe!" wiederholte Peter. Wenn dich einer fragt, und Du verstehst` s nicht, brauchst bloß zu sagen: "Lösche mong g`höe!"  Aber ein freundliches Gesicht musst Du dazu machen. Es gibt grobe Kerle unter den Franzosen. Eine Ohrfeige wirst Du hier und da einmal von ihnen erwischen. Aber das ist so schlimm nicht. Bleib nur fest, Peter! Immer "Lösche mong g`höe!" Immer "Lösche mong g`höe!"

Das imponiert schließlich dem gröbsten Franzosen.

Der Maler Krebs tat einen Schluck und dann wandte er sich halb zu den lauschenden Kutschertischen. Was heißt das "Lösche mong g`höe!" auf Deutsch? Nun, der Herr Superintendent und der Herr Oberamtsrichter und den anderen Herrn am runden Tisch wissen es ja von ihrer Schülerzeit her. Aber euch muss ich das noch erklären! Es ist ein Ausdruck, bei dem man die Nase rümpft, wenn man ihn hört. In Muggiburg mit seiner groben Sprache könnt ihr ihn ja jeden Tag einmal hören. Ihr braucht einem bloß eine dumme Frage vorzulegen und schon fliegt euch der Ausdruck an den Kopf. Man könnte auch dafür sagen: „Du kannst mir den Buckel runtergerutsch!" Wenn man dann am Ende des Buckels angelangt ist, dann ist man ungefähr an der Stelle, wo das französische "Lösche mong g`höe!" anfängt.

Eine kleine Lachsalve und eifriges Kopfnicken sagte dem Maler Krebs, dass man ihn auch an den "Kutschertischen" verstanden habe. Also, mein Ecksteins Peter ist froh, dass ihm seine Freunde einen so guten "Tipp" gegeben hatten. Das lässt sich leicht merken, meint er und lässt sich ein neues "Kärtla" einschenken. Dann stößt er mit ihm an. "Lösche mong g`höe, lieber Freund!" sagte er freundlich. Der andere tut im Bescheid. "Lösche mong g`höe, lieber Peter!"  Gegen neun geht Peter heim. "Lösche mong g`höe! „sagt er und winkt ihnen mit der Hand zu. Die anderen nicken. "Lösche mong g`höe, lieber Peter! Lass Dir` s gut gehen bei dem Franzosen!"

Schon nach fünf Tagen kommt der Peter zurück. Ohne Ochsen. Aber blau und braun und grün im Gesicht und arg hinkend. Kaum, dass er abends in den Ratskeller humpeln kann. "Lösche mong g`höe!" begrüßt er seine Freunde. "Schon wieder da, Peter?" Gott sei Dank seufzt er. Bis auf Saalfeld war ich dabei. Bis dahin ist alles gut gegangen. Ich habe meine Ochsen getrieben und kein Mensch hat mir ein krummes Wörtlein gegeben. Am anderen Morgen früh, wie wir grad beim Anspannen sind, kommt ein Franzos daher, deutet auf meinen Wagen und schreit mich an. Ich versteh ihn nicht und sag: "Lösche mong g`höe! Maul und Augen hat der aufgerissen, wie ich ihm da französisch antwort`. "Was `aben Du gesakkt, Kanalje?" faucht er mich an.

"Lösche mong g`höe! Sag ich freundlich." Da wird der Kerl fuchsteufelswild und haut mir ein paar ins Gesicht, dass ich denk der Hirt tütt. Dann deutet er wieder auf den Wagen und schreit mich von neuem an. "Lösche mong g`höe!" sag ich. Schwupp, hat er mir schon wieder ein paar ins Gesicht gefenstert. Denk ich, der Kerl hört am End schwer und schrei ihn an, was ich kann: "Lösche mong g`höe!" Da habe ich eine mit der Faust auf die Nase erwischt, dass der ganze Sternenhimmel eingestürzt ist und mir die Sternlein nur so vor den Augen rumgetanzt sind. Denk ich, du bist am Ende doch nicht höflich genug und mache eine schöne Verbeugung. Schöner als vor dem Herrn Oberamtsrichter, und sag: "Lösche mong g`höe!" Da winkt er ein paar Soldaten heran.

Die kommen angesaust wie die Wilden. Ich reiß aus, die mir nach. Plumps, habe ich im Dreck gelegen und die ganze Bande hat auf mich eingeschlagen. Da schrei ich in meiner höchsten Angst: "Lösche mong g`höe! Lösche mong g`höe! Lösche mong g`höe!" Mit Fußtritten haben sie mich dann bearbeitet und die Köpf geschüttelt und sind lachend davon gegangen. Ich habe meine Ochsen im Stich gelassen und bin auf Schleichwegen heim. Ist das eine elende Bande, die Franzosen! "Das bisschen Französisch, wenn ich nicht gekonnt hätte, die hätten mich, glaube ich, totgeschlagen!"

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Heimatschriftsteller Emil Herold aus Neustadt bei Coburg
Repro: Archiv Ulrich Göpfert

Am anderen Tag wurde die lustige Geschichte in allen Wirtshäusern von Muggiburg erzählt und mancher, der etwas über die Zeit hocken geblieben war, fand Verzeihung bei seiner Frau, als er die lustige Geschichte von dem "Lösche mong g`höe!" daheim erzählt hat. Da mit der Zeit auch noch andere Schnurren bekannt wurden, die der Maler Krebs erzählt hatte, hob sich bald um seine rundliche Gestalt die Glorie eines humorvollen Menschen. Die aber liebte man in Muggiburg.