Der Engländer und sein Diener

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Sagen und Erzählungen aus dem Coburger Land

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Veste Coburg
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert    

Zu einem reichen Engländer, welcher immer an den heftigsten Zahnschmerzen zu leiden hatte, sprach einst ein altes Weib: „Wenn du von deinen Schmerzen befreit sein willst, so verschaffe dir von Luthers Bett, welches sich auf der Veste Coburg befindet, einen Span und stochere damit deine Zähne!“

Kaum hatte der Engländer diesen Rat des Weibes vernommen, so gab er seinem treuesten Diener Paddy den Befehl, sofort nach Coburg zu reisen und einen Span von Luthers Bett zur Beseitigung der Schmerzen zu holen. Nach langer, mühseliger Reise gelangte Paddy auch an einem heißen Sommertag in Coburg an. Da er großen Durst verspürte, so kehrte er in dem Ratskeller ein, wo er dem schäumenden Zollhofs Bier so wacker zusprach, dass sich sein Körper vor lauter Wonne und Wohlbehagen über diesen Zaubertrank in Nichts auflöste.

Als nun in mitternächtlicher Stunde der Geist Paddys ohne Span vor seinem Herrn erschien, so fuhr dieser aus der Haut. Zur Strafe für diese Freveltaten wurden beide vom Schicksal nach der Coburger Veste verbannt, wo sie sich von Zeit zu Zeit zur Mitternacht als Gespenster bis auf den heutigen Tag sehen lassen.

Quellenhinweis: Andreas Stubenrauch

Zu dieser Erzählung noch eine Anmerkung:
Die Genese der Coburger Festung zum Wallfahrtsort und damit zu einem nationalen "Heiligtum" hatte bereits wenige Jahre nach dem Tod des Reformators eingesetzt. 1604 wurde erstmals die "Luther-Stube" in einem Festungs-Inventar erwähnt. Das ihm zugeschriebene Bett stand im Zentrum des Besucherinteresses. Daher zeigte sich denn auch das Bettgestell 1909, als es aus der Stube entfernt wurde, in ruinösen Zustand, denn seit Jahrhunderten war es als Quelle zahnheilkräftiger Späne - Spreißel für Spreißel - durch Wallfahrer abgebaut worden.

Quellenhinweis: Landesbibliothek Coburg