Schlachtfest

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Schlachtfest in früheren Jahren
Ein besonders ereignisreicher Tag im Dorfleben


Repro: Ulrich Göpfert

Ein besonders ereignisreicher Tag des Jahres war das im Winter wiederkehrende Schlachtfest, auf das man sich schon lange vorher freute. Wie man aus der Bezeichnung "Schlachtfest" ablesen kann, handelte es sich früher dabei um einen Festtag. Da dem Essen und Trinken eine noch höhere Priorität als heute zugeordnet wurde. Und weil man sich darüber freute, wieder einigen Vorrat für den bevorstehenden Winter in Form von "Geräuchertem" oder die, in Büchsen eingemachte Wurst zur Verfügung zu haben.

Tagesablauf des Schlachtfestes:

Nachdem schon vorher mit dem Metzger der Tag festgelegt war, an dem geschlachtet werden sollte, wurde bereits früh am Morgen der Waschkessel in der Küche mit Wasser gefüllt und Feuer darunter gemacht. Das Wasser musste kochen, bis der Metzger kam. Nachdem sich der Metzger überzeugte hatte, dass alles bereit stand, und er sich schon einmal mit einem kräftigen Kümmelschnaps gestärkt hatte, begann er. Draußen war es kalt, und der erste Akt spielte sich auf dem Hof ab. Zuerst wurde aus dem Stall das Borstenvieh herausgeholt; das war manchmal keine leichte Sache, denn das Vieh sträubte sich. Unter viel Gebrüll wurde es an die Stelle gebracht, wo geschlachtet wurde. In der Zwischenzeit wurde der Brühzuber mit kochendem Wasser gefüllt. Nun musste der Metzger mit der Axt, später mit dem Bolzenschussgerät, in der Hand den richtigen Moment abpassen, um einen sicheren Schlag oder Schuss anzubringen, damit die Sau zu Boden ging.

Einmal ist es in Dörfles vorgekommen, dass der Metzger nicht mehr ganz sicher war, weil er sich schon mehrere Schnäpse hinter die Binde gegossen hatte, und beim Hinhauen das Vieh nicht mehr richtig traf. Der halb morsche Strick des Metzgers ist noch zu allem Unglück gerissen, und das Vieh rannte halb betäubt davon. Man brauchte eine Stunde, bis es wieder an Ort und Stelle war. Diese wahre Begebenheit hat dem betroffenen Metzger viel Spott eingebracht. Doch gehen wir weiter im Ablauf.

Nachdem der fachmännische Stich des Metzgers mit dem Messer ausgeführt war, wurde das Blut aufgefangen, wobei eine gewandte Person das Blut rührte, damit es nicht eindickte. Das Schwein wurde mit Pech bestreut und mit heißem Wasser übergossen. Nun kam es hinein in den Brühzuber und wurde mit einer Kette von der einen zur anderen Seite gewendet, bis der Metzger den richtigen Moment angab, um es raus auf das Gestell zu legen.

Nun bekam jeder Beteiligte vom Metzger ein Messer, das er noch einmal an seinem Stahl abzog, in die Hand gedrückt. In der Zwischenzeit hatten die Frauen nochmals eingeschenkt, so dass die Stimmung noch besser wurde. Jeder versuchte nun das tote Schwein von restlichen Borsten und Schmutz zu säubern. Schließlich wurde es mit kaltem Wasser abgesprüht und das Tier an einem Haken einer Hoftüre oder an einer Leiter aufgehängt und vom Metzger ausgeschlachtet.

Diese kurze Zeit vom Brühen bis zum Aufhängen des Tieres war wohl neben dem späteren Spintessen das Interessanteste des ganzen Schlachtfestes. Inzwischen hatten die Frauen den Kessel wieder mit Wasser gefüllt und das vom Metzger ausgelöste, geeignete Fleisch für die Wurst hinein gegeben. Dort kochte es, bis es vollständig gar war. Der Metzger hatte in der Zwischenzeit gut eine Stunde zu tun, um die Därme zu reinigen, die ja zum Wurstmachen gebraucht wurden.

Nun kam der Hauptakt des Schlachtfestes! Nachdem sich der Metzger überzeugt hatte, dass das Fleisch weich war, brachte er den ersten Teil davon in einer großen Schüssel in die Stube auf den großen Tisch. Dort saßen schon rundherum die ganze Familie ohne die Hausfrau. Diese hatte ja dauernd andere Arbeiten, meist in der Küche zu erledigen. Salz und Pfeffer standen auf dem Tisch, dazu das in Würfeln geschnittene Brot und zum Trinken der Krug mit Bier gefüllt. Nun wurde das Fleisch in Würfel geschnitten und jeder konnte nach Herzenslust essen, was und wieviel er wollte: Mageres, Durchwachsenes, Bries, Nierle, Rüssel, Ohr usw. Aber leider ging diese Tätigkeit viel zu schnell für die Beteiligten vorüber.

Wie es im Dorf so Brauch war, und wenn die betreffende Person noch Bauer und Schultheiß im Dorf war, ist auch auch der Gendarm bei seinem Kontrollgang "zufällig" vorbeigekommen. Er wurde selbstverständlich zum Frühstück am Nebentisch eingeladen, wo auch der Herr Lehrer, und dort wo eine Kirche im Ort war, der Herr Pfarrer schon saßen. Dazu setzte sich auch derjenige, der für das Schlachtfest verantwortlich zeichnete. Bald war eine angenehme Unterhaltung im Gange. Die drei vorgenannten Herren bekamen später am Tag noch etwas für die Familie ins Haus getragen. Für den Gendarm, der ja in der Stadt wohnte, besorgte es die Bäuerin selber; dorthin in die Stadt ging sie ja jeden Sonnabend, um ihre Butter und sonstigen verkäuflichen Sachen auf den Markt zu bringen und für den Erlös wieder anderes einzukaufen, was man auf dem Dorf nicht bekam.

Der Metzger Raimund Büchner beim Reinigen der Därme,
der Altbürgermeister Ferdinand Fischer schaut ihm dabei zu
Repro: Ulrich Göpfert

Nach dem Spintschneiden hatte der Metzger viel zu tun. Die Därme mussten jetzt gefüllt werden. Jede Art Wurst hatte ihre besondere Wurstklasse. Es gab Rot-, Weiß- und Leberwurst. Zu letzterer wurde die gesamte Leber verwendet, und eine hausgemachte Leberwurst (es wurde noch ein Teil geräuchert) war eine besondere Delikatesse. Nun kamen die Würste in den großen Wasserkessel, der nur mäßig geschürt wurde, die dicken zuerst. Die dickste Wurst war der "Säusack", der wurde aufgehoben bis zur Lichtmeß. Am Kessel stand eine zuverlässige Person und überwachte das Kochen, und dann wurden die Würste mit der großen Gabel angestochen, damit die Luft entwich und nicht platzte. Aber ganz zu vermeiden war das Platzen einer Wurst nicht, und dafür war später die übrig gebliebene Wurstsuppe umso besser. Während des Kochens der Würste richtet der Metzger das Fleisch für die Rohwurst her, das dann durch den Wolf gedreht wurde. Daraus wurden die Bratwürste hergestellt, die auch zum Teil geräuchert wurden.

Zur früheren Zeit genügten die oben genannten Wurstsorten, später, als vielleicht noch ein Rind geschlachtet wurde, das sich meistens zwei Bauern teilten, kamen, noch mehr Wurstsorten dazu. Ebenso kam "das Eindosen"  der Wurst dazu. Wenn die Rohwurst dann fertig war, wurde noch das Schmeer durch den Wolf gedreht. Dieses wurde später in der Küche ausgekocht und ergab das reine Schweineschmalz, das zum Kochen und als Brotaufstrich verwendet wurde. Zum Schluss zerlegte der Metzger noch das übrige Fleisch. Die Schinken wurden ausgelöst und später eingesalzen, ehe sie mit den Speckseiten in die Räucherei kamen. Auch das Pökelfleisch wurde in ein großes Holzstücht eingelegt. Mit dem inzwischen fertiggestellten Mittagessen, Kartoffelklöße und meistens Rippchen, fand das Schlachtfest sein Ende.

Von der Hausfrau wird der "Schweinskopf"  aufgetragen
Repro: Ulrich Göpfert 

Es war ja auch bereits später Nachmittag geworden. Die Kinder oder Mägde wurden mit der Wurstsuppe in die Nachbarschaft geschickt. Selbstverständlich mit der nötigen Einlage: Leberwürstchen, Spint je nachdem. Der Metzger verweilt sich noch etwas, bis sein Handwerkszeug wieder sauber gemacht war, denn er wollte vor dem Finsterwerden wieder nach Hause kommen. Aber meistens blieb es bei diesem Vorsatz, denn die am Schlachtfest Beteiligten feierten sehr oft bis in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages.

Höhepunkt des "Schlachtfestes"  war immer wenn der Metzger Raimund Büchner (Raimondo) zum Schifferklavier griff und in seiner unnachahmlichen Art seine "Schnatterhüpferl" zum Besten gab
Repro: Ulrich Göpfert