Ein blinder Held

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Ein blinder Held – Die Liebe des Otto Weidt
Der Berliner Bürstenfabrikant Otto Weidt versucht in den 40er Jahren, seine Mitarbeiter, die fast alle Juden und fast alle blind sind, vor dem Zugriff der Gestapo zu bewahren.
Montag, 06. Januar 2014, 21:45 Uhr im ERSTEN

Besetzung - Rolle/Darsteller:
 
Otto Weidt               Edgar Selge
Alice Licht               Henriette Confurius
Inge Deutschkron  Julia Goldberg
Else Weidt               Heike Hanold-Lynch
Rosa Katz                Katrin Pollitt
Chaim Horn             Fabian Busch
Werner Basch         Rainer Frank
Franz-Wilhelm Heintze   Uwe Bohm
Zimmerwirtin                   Isabelle Barth
Elektriker                         Axel Gottschick
u.v.a.

Regie: Kai Christiansen

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Edgar Selge (Otto Weidt) und Henriette Confurius (Alice Licht)
Foto: 2013 © NDR/Vincent TV/Beate Waetzel

Mit List und Bestechung versucht der Berliner Bürstenfabrikant Otto Weidt in den 40er Jahren, seine Mitarbeiter, die fast alle Juden und fast alle blind sind, vor dem Zugriff der Gestapo zu bewahren. Als seine Sekretärin Alice Licht am Ende nach Auschwitz deportiert wird, macht sich Weidt, selbst nahezu blind, auf den Weg, um sie zu befreien. Es gelingt ihm, doch seine Liebe zu ihr bleibt unerfüllt.

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Gestapo-Besuch in der Blindenwerkstatt
(Edgar Selge und Uwe Bohm)
Foto: 2013 © NDR/Vincent TV/Beate Waetzel

Berlin 1941
Die Werkstatt des Bürstenherstellers Otto Weidt gilt bei Berliner Juden, die in "kriegswichtigen" Betrieben Zwangsarbeit leisten, als gute Adresse. Weidts irritierend enge Kontakte zur Gestapo und regelmäßige Bestechungen bieten ihm den Spielraum, seine Angestellten zumindest in den Räumen der Werkstatt vor den alltäglichen Herabwürdigungen zu schützen.

"Papa Weidt" wird er von allen genannt
Zu den wenigen Nicht-Blinden in der Werkstatt zählt Alice Licht, eine hübsche junge Frau aus gutbürgerlichem Haus. Mit Witz, Charme und Organisationstalent wird sie bald zu Ottos rechter Hand. Doch die beiden verbindet mehr als die Arbeitsbeziehung. Otto ist verheiratet, kein Jude, Ende 50 und fast blind; Alice, Jüdin, glatte 40 Jahre jünger und voller Pläne für ein eigenes Leben. Beide sind vom selben Schlag. Schnell begreift Alice Ottos kompliziertes System aus legalen Geschäften, Schiebereien und Gefälligkeiten und erweist sich als kaum weniger einfallsreich als er selbst. Sie bewundert ihn. Für Otto ist Alice die Verheißung auf ein Leben, das er gern geführt hätte. Aber die Schlinge um den Werkstattbetrieb zieht sich zu.

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Otto Weidt befreit seine Belegschaft aus Gestapo-Haft
Foto: 2013 © NDR/Vincent TV/Beate Waetzel

Trotz regelmäßiger "Besuche" der Gestapo scheint zunächst alles gut zu gehen
Doch dann werden fast sämtliche jüdischen Mitarbeiter auf einen Schlag abgeholt. Dieses eine Mal schafft es Otto Weidt noch, seine Blinden aus dem nahen Sammellager der Gestapo wieder herauszuholen. Während Alice und die anderen noch ganz darauf vertrauen, dass Papa Weidt sie auch weiter beschützen wird, ahnt dieser schon, dass die schlimmste Zeit noch bevorsteht. In aller Heimlichkeit beginnt er mit der Vorbereitung von Verstecken, bei Freunden und Bekannten, aber auch in den Räumen der Werkstatt. Als die massenhaften Deportationen beginnen, sind fast alle untergetaucht. Aber die Existenz im Versteck ist auf die Dauer kaum zu ertragen. In einem einzigen Moment der Vertrauensseligkeit werden alle Verstecke an einen "Greifer" verraten.

Immerhin schafft es Weidt durch seine Gestapo-Kontakte,
dass zumindest Alice und ihre Eltern nach Theresienstadt kommen, wo er sie wenigstens durch Lebensmittelsendungen unterstützen kann. Aber nach einigen Monaten trifft eine Postkarte von Alice ein, abgestempelt in einem Ort in Oberschlesien nicht weit von Auschwitz. Darin gibt sie verklausuliert über ihre Verlegung nach Birkenau Bescheid. Otto Weidt zögert nicht lange: Als Handelsvertreter seiner eigenen Bürsten und Besen macht er sich auf den Weg, um Alice zu retten.

In Auschwitz angekommen, bringt er in Erfahrung,
dass Alice – ohne ihre Eltern – bereits weiter in ein Lager bei Christianstadt in der Niederlausitz gebracht worden ist, Teil einer riesigen Munitionsfabrik. Otto reist ihr nach, mietet ein Zimmer, versteckt dort Kleidung, Geld und eine Nachricht, die über einen Kontaktmann zu Alice gelangt. Erst im Januar 1945, im Laufe der chaotischen Auflösung des Lagers, gelingt Alice die Flucht. Über Christianstadt schafft sie den Weg zurück nach Berlin.

Während der letzten Wochen des verlorenen Krieges und in den ersten Monaten danach beherbergen Otto und seine Frau Else sie. Dann ist alles vorbei. Otto hofft immer noch auf eine gemeinsame Zukunft. Aber Alice kann und will nicht bleiben. Deutschland ist nach dem Verlust ihrer Eltern und den grauenvollen Erlebnissen nicht mehr ihre Heimat. Sie erhält schließlich die Einreisegenehmigung in die USA und verlässt Berlin.

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Edgar Selge als Otto Weidt
Foto: 2013 © NDR/Vincent TV/Beate Waetzel

Otto bleibt zurück, allein. Zwei Jahre später stirbt er. An sein Wirken erinnert heute nur noch das "Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt" in Berlin-Mitte und die israelische Ehrung als "Gerechter unter den Völkern".

Weitere Informationen:
www.museum-blindenwerkstatt.de