Feierstunde zum 106. Geburtstag von Ida Schleicher

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Feierstunde zum 106. Geburtstag
von Ida Schleicher aus Bad Rodach

…die Ida hätte sich sicher darüber sehr gefreut!

Eine Fotoreportage von Ulrich Göpfert

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Das Denkmal von Ida Schleicher am Thermalbad Rodach. Dieses Denkmal wurde ihr am
25. Dezember 1985 durch den Rodacher Rückertkreis mit Bürgerspenden gesetzt

Bad Rodach
Zahlreiche Gratulanten hatten sich am vergangenen Mittwoch, 07. Juni 2006 am Denkmal der Ida Schleicher am Thermalbad in Bad Rodach anlässlich ihres 106. Geburtstages eingefunden und würdigten in einer Feierstunde die Verdienste dieser einfachen, aber so großzügigen Frau.

 

Eingeladen hatte die Stadt Bad Rodach zu dieser Erinnerungsfeier. 2. Bürgermeister Heinz Morgenroth begrüßte die Gäste und gab einen Rückblick auf das Leben und Wirken von Ida Schleicher für Bad Rodach. Sie wurde am 7. Juni 1900 in Rodach geboren. Ihr Arbeitsbereich war der Wald und die Landwirtschaft. Von ihrem 14. bis 58. Lebensjahr ging Ida „in die Kultur“, das heißt, sie arbeitete im Wald der Korporation der Stadt. Ihr zweiter Arbeitsbereich war die Landwirtschaft. Jeden Tag war sie mit dem Huckelkorb unterwegs.

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Dabei hatte sie immer eine Flasche Bier, wie sie sagte „ihren Hopfentee“, den sie gerne aus der Flasche trank. Ihre Bescheidenheit und Freigiebigkeit waren ihre besonderen herausragenden Wesenszüge


Frau Roswitha Friedrich sprach im Anschluß
die Worte zu Idas Geburtstag

Wir erinnern an Ida Schleicher, eine schlichte Waldarbeiterin, eine großzügige Bürgerin, die zu schnellem Handeln bereit war! Dabei ging sie nochmals auf die Entwicklung Rodachs zum Thermalbad und auf Ida Schleicher ein, denn sie spielte hierbei eine wichtige Rolle.

Die Situation Rodachs nach 1945 – Stadt „im Toten Winkel“

Im Norden, Westen und Süden von der Welt durch den DDR-Grenzzaun blockiert, lag sie als Stadt „im Toten Winkel“. Der damalige Landrat Dr. Klaus Groebe greift ein Gerücht auf, dass sich seit 1967 hartnäckig hält: wie in Bad Colberg (dort war 1907 und 1927 nach Heilwasser gebohrt worden) könnte auch Rodach Heilwasser unter der Erde haben. Im März 1971 beschloss der Stadtrat, ein geologisches Gutachten zur Klärung des Gerüchts in Auftrag zu geben. Wie der Gutachter Dr. Gudden vom Bayer. Geologischem Landesamt in seinem Gutachten vom 14. Juni 1971 abschließend feststellt: „nach derzeitigen Kenntnisstand sind die geologischen Verhältnisse im Untergrund von Rodach derart, dass das Projekt einer Mineral-Thermalwasser-Erschließung durch die Stadt nicht nur vertretbar, sondern für aussichtsreich gehalten wird.

Nun musste ein passendes Grundstück gefunden werden. Aber Stadtnähe war unbedingt für das zukünftige Kurgebiet nötig, also: zwischen Drehrangen und Hirschmühle! Und nun begann die Suche nach einem Grundstücksbesitzer. Die Rodacher Stadtverwaltung fand es mit dem Grundstück der unverheirateten, kinderlosen Ida Schleicher. Bereits am 16. Juni 1971, zwei Tage nach der Vorstellung des Gutachtens, beschloss der Stadtrat den „Schleichersberg“ zu erwerben.

Ida Schleicher erklärte sich bereit, der Flurstücke von insgesamt etwa 2 ha (20.000 qm) am Schleichersberg der Stadt zu übergeben. Als Gegenleistung verlangte sie eine Leibrente von 200 DM und den Neubau ihres Wohnhauses mit kostenlosem Wohnrecht. Zum Vergleich: der Lohn in einer Waldarbeitersaison (April bis Oktober) betrug in der damaligen Zeit 261,00 DM.

Während der Bohrung (vom 7. Februar bis 1. März 1972) auf dem ehemaligen Grundstück von Ida Schleicher schaut diese interessiert zu. Sie trinkt vom Heilwasser, aber in den Molkereibottich zum Baden geht sie nicht. Außerdem nimmt sie an den Sitzungen des Stadtrates als Zuhörerin regen Anteil. Am 16. Oktober 1972 wird der Bau des Thermalbades beschlossen und bis zur Fertigstellung eine Übergangslösung, ein Provisorium, in das bis Mai 1976 rund 175.000 Besucher gehen. Während der Bauzeit des Thermalbades geht Ida Schleicher über „ihren Berg“ mit dem Huckelkorb und sorgt für Sauberkeit.

Beim Richtfest am 4. April 1975 gehört Ida zu den Gästen und stillt ihren Durst mit einer Maß „Hopfentee“. Besonders stolz, sogar als Ehrengast, nimmt sie an der Einweihung des Thermalbades durch den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Goppel und Landrat Dr. Groebe a. D. am 5. Juni 1976 teil.

Als Ida Schleicher im Januar 1976 in das von der Stadt neu erbaute Wohnhaus, Färbergasse 16 zieht, wünscht sie sich als Mitbewohner Erna und Franz Büttner. Die Frauen kannten sich von gemeinsamer Waldarbeit. Ida wohnte im neu erbauten Haus von 1976 bis zu ihrem Tod am 31. Januar 1978. In ihrem Testament bestimmte sie die Stadt Rodach zu ihrer Alleinerbin: Wohnhaus und Hausgrundstück, ein Acker am Brachbach, das Holzrecht übergibt sie der Stadt. Die leistet dafür die Kosten der Beerdigung und die Grabpflege.

Als Ida Schleicher am 31. Januar 1978 stirbt, hat ihr die Stadt Rodach in sechs Jahren und sechs Monaten 15.600 DM bezahlt. Ihr neu erbautes Wohnhaus wurde später verkauft.

 
Untermalt wurde die Geburtstagsfeier mit zahlreichen Liedern…

 
…wie dem Frankenlied, Oberfrankenlied und vielen anderen Volksliedern, kräftig mitgesungen von den
zahlreichen Gratulanten, die in das Thermalbad-Restaurant gekommen waren.
Darunter waren auch viele Badegäste aus nah und fern

 
Von zwei Mitgliedern der Stadtkapelle Bad Rodach wurden sie dabei von Volker Romankiewiez
auf dem Akkordeon und von Patrick Hohnbaum auf der Gitarre begleitet

Ida steigt vom Denkmal

 
Ida Schleicher, alias Christa Gilbert kehrt aus Bad Rodach auf den Sockel ihres Denkmals zurück

Auch in diesem Jahr wurde anlässlich des 106. Geburtstages von Ida Schleicher ein Mundartgedicht von Christa Gilbert aus Bad Rodach verfasst und vorgetragen. In diesem Beitrag schildert sie, was die „Ida“ so alles im vergangen Jahr erlebt hat, wenn Sie von ihrem Denkmal stieg und durch Bad Rodach auf „Streifzug“ ging:


Ida` s 106. Geburtstag

Hei! Hallo! Seid ihr o.K.?
Ach, schö des ich euch widder seh!
Ja ja, ihr denkt jetzt ganz bestimmt,
des die IDA aa scho spinnt!
Aber stett na mal dahuum
ständig auf dann Sockl rum,
me hört, weil me net annersch kann,
wos sich die Leut zu soochn ham.
Die plaudern ganz schö durchenanner,
ja sogar ausländisch mitnanner!
Gar vieles ko ich net versteh
bloß Hei, Hallo odder o.K.

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Die Leut die kumma immerhin
aus Sachsn odder aus Berlin
un redn sa dann wie dahämm,
tu ich me schwer mit` n verstenn.
Da wär me Hochdeutsch scho ganz racht
bloß salber des versteh ich schlacht,
weil des inzwischen a Gemisch
aus Deutsch un fremma Brockn is!

Ach, war des früher bei uns schö,
da konnt ich ölla Leut versteh,
kee Wörtla is me da entgang,
wenn sa sich unterhaltn ham!
War enner fremd in unnra Stadt,
hach, wie me dann beobacht hat!
Des is ja klar, me musst` ja wiss,
wohar der kümmt un war er is!
Des amal so viel Fremma kumma,
hat damals kee Mensch ohgenumma.

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Ach, überhaupt, wenn me bedenkt,
wos die Zeit so mit sich brängt.
Ho-ich neulich doch bei Mitternacht
Widder an Stadtrundgang gemacht,
ich geh` in Richtung Schwarza Gass`
un guck hinter zum Habermaaß,
da spiegelt sich de Mond ganz klar,
wo früher mal de Brauhof war!

Natürlich ho ich scho gewisst,
dess mit dann Brauhof nix mer is,
racht runterkumma war-er halt,
200 Jahr war-er ja bald!
War wäß, wos in dann vielen Toochn,
sich in dann Haus hat zugetroochn.
So mancher hat, wenn me`s betracht,
fast` s ganza Laam drin zugebracht!
A Dorf für sich, des war a Laam,
a Haufn Kinner hat` s da gaam
un wie sa grösser war`n, die Junga,
ham sa im Saal des Tanzbein gschwunga,
da war wos los im Brauhofsaal,
heit muss me sooch, „es war einmal!“

Des alt Gemäuer is nu wag,
o nochlneus stett an dann Flack!
A Glaspalast, a fatzn Ding,
drüm spiechlt sich de Mond so drin!
Drin is ölles hall un weit,
de Herr Habermaaß gett mit de Zeit!
Dann ho ich wos da drin entdeckt,
`s hängt unt`n in de rachtn Eck
a Bild vom Brauhof an de Wänd,
wie` s heit kee Radicher mehr kennt.
Un weiter hintn, stellt euch vür,
is dadraus noch a Pendltür!
Wie öft wird die gependelt ham,
wenn Leut hie un har senn gang?
So manch` n Kummer, würd ich soochn,
hat me da naus un nei getroochn.
Ja, manches Leid un mancha Frääd,
wie` s halt nu mal im Laam so geht.

Dann ho ich doch in dara Nacht
noch a Entdeckung mehr gemacht.
Wenn ich scho mal da untn bin,
laaf ich meistens ausnrüm.
Ich kumm in Richtung Coburg naus,
sah auf an Platz a flaches Haus,
un wie ich richtig hie tu guckn,
is des so a Aldi-Schuppn!
So, denk ich mir, des ho ich garn,
jetzt werd des Radich noch modern!
Aber, so is` s net bloß heit
me muss immer mit der Zeit!
Hätt` me des früher net gemacht,
ging me vielleicht noch auf die Jagd
und würd` gar noch in Höhl` n wohne,
freilich, de Fortschritt is net ohne.
Weng sorgsam mit de Walt ümgeh,
des wär` s, des müsst me halt versteh!

Nu bin ich gspannt auf` s nächste Jahr,
wos ich bis dahie Neu` s erfahr.
Nu macht` s mal gut, genießt des Laam,
es hat scho schlachtra Zeitn gaam!

Alle Fotos: 2006 © Ulrich Göpfert