Der Fuchs an der Leine

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Der Fuchs an der Leine

Eine Dorfgeschichte aus dem 19. Jahrhundert

Es war ein kalter Wintertag. Dicht neigten sich die Äste unter der Last des Schnees. Richard hatte am frühen Morgen seine Futterstellen für das Wild kontrolliert und wollte eben über das "Bergla" nach Hause gehen, als er kurz vor der Dickung am Fuchsbau feststellte, dass er frisch befahren war.

In aller Eile trommelte er den Fritz, den Ferdinand und den Alfred zusammen. Der Hund Waldi stürmte den Vieren voraus. Auch die Männer holten mit ihren Schritten weit aus. Richard und Fritz mit dem Gewehr, Ferdinand und Alfred mit dem Pickel. Meister Reinecke sollte ausgegraben werden, wenn er nicht freiwillig aus dem Bau flüchtete. Dieser Bau war ein Kunstbau. Vor einigen Jahren hatten die Jäger ihn angelegt und die Füchse hatten ihn angenommen. Er besitzt einen kurzen Gang, aber einen geräumigen Kessel, wie ihn Füchse gern haben.

Waldi wird an die Leine genommen, damit er nicht durch voreiliges Einfahren in den Bau den Fuchs zum Flüchten bringt, bevor die Jäger zum Schuß fertig waren. Vor dem Fuchsbau werden die Büchsen geladen und gesichert, Ferdinand und Alfred auf Plätze verwiesen, die abseits der Schußlinie liegen. Nun kann die Hatz beginnen.

Richard nimmt Waldi das Halsband ab und läßt ihn einschliefen. Lautlos verschwindet er im Gang. Gespannt lauschen die Vier dem Halsgeben des Hundes unter der Erde. Das wird immer erregter, mordgieriger. Ein Fuchs muß im Bau sein. Plötzlich schießt Waldi aus der Röhre, zittert vor Erregung, schnappt frische Luft, überschlägt sich beinahe bei der Wendung und rast wieder in den Bau.

Jetzt werden die Laute noch gieriger. Da! Ein Fuchskopf am Eingang! Zwei Gewehre gehen in Anschlag. Aber der Fuchs schnellt nicht heraus, um in der Flucht sein Leben zu retten. Nur langsam kommt er vorwärts. Waldi hat ihm im Bau so zugesetzt, dass seine Kräfte bald am Ende sind. Da springt Richard zu und setzt seinen harten Jägerschuh dem armen Tier ins Genick. "Her das Halsband" schreit er dem Ferdinand zu, "den führ`n wir heim". Ferdinand läßt sich das nicht zweimal sagen und rennt herbei. Fritz kommt auch und tritt dem Fuchs auf die Schnauze, damit der Ferdinand nicht gebissen wird, und Alfred zerrt den Waldi weg, weil der nicht vom Fuchs lassen will. Endlich ist der Gurt fest und die Lederleine eingehakt.

Alfred hat zufällig eine dicke Schnur in der Tasche. Die wird am Gurt festgebunden, so dass der Fuchs von beiden Seiten gehalten wird, als Richard den Fuß vom Nacken läst. Der Fuchs versucht nach vorne auszubrechen, aber Alfred und Ferdinand halten fest. Waldi fällt ihn von hinten an, doch Richard wehrt ab. So gelingt es den Vieren, den Fuchs durch Antrieb und Aufhalten bis ins Dorf und dort natürlich ins Wirtshaus zu bringen.

Im Dorf hatten sich schon die Kinder gesammelt, als dieser seltene Trieb bekannt wurde. Von diesen erfuhren es die Großen, und nach einer halben Stunde war das halbe Dorf im Wirtshaus. Der Fuchs knurrte zwar noch hie und da einmal, aber ganz leise. Seine Kraft ging langsam zu Ende, der Waldi hatte ihm doch im Bau schwer zu gesetzt.

Als auch die Jäger genug von dem Spiel hatten, wurde der Arme in den Hof gezerrt und vom Ferdinand zu Tode gebracht. Von dem Fuchs an der Leine wird heute noch im Dorf erzählt.

Nach einer Erzählung von Andreas Stubenrauch