Das Rosenwunder

Drucken

Das Rosenwunder
Eine Sage über die Heilige Elisabeth

Eisenach/Wartburg
Nachdem in Thüringen das Jahr der „Heiligen Elisabeth“ gefeiert wurde, habe ich heute eine Sage von Ludwig Bechstein aus seinem Buch „Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes“ ausgewählt.

Repro 01.JPG
Die Heilige Elisabeth spendet Wohltaten

Repro: Ulrich Göpfert

Es kam über das Thüringerland eine Zeit großer Hungersnot, also, dass die armen dürftigen Leute sich von Kräutern, Wurzeln und wilden Früchten nähren und das Fleisch von Pferden und Eseln essen mussten, mochten diese geschlachtet oder gefallen sein; an Brot aber war nicht zu denken.

 
Wartburg bei Eisenach

2012 © Ulrich Göpfert

Viele starben Hungers, da sie nicht einmal solche Kost haben konnten. Das nahm sich die Landgräfin Elisabeth sehr zu Herzen. Sie ließ mahlen und backen und das Brot von der Wartburg hinunter tragen, gab in dieser Zeit auch so reichlich Almosen (kleine Geldspenden), dass man hätte meinen können, sie verschenke den Wert ganzer Burgen und Städte. So barmherzig war sie, dass sie Tag und Nacht nicht ruhte, die Hungrigen zu speisen. Aber es fehlte nicht an Leuten, die den Landgrafen gegen die Freigiebigkeit seiner Gemahlin aufzubringen suchten, und er mochte ihr wohl verboten haben, allzu reichliche Spenden auszuteilen.

 
Mosaik mit der Heiligen Elisabeth auf der Wartburg

2012 © Ulrich Göpfert

Nun traf sich`s eines Tages, dass der Fürst in der Stadt Eisenach war und die Herrin von der Burg herunterging zu der Stelle, wo sich die Armen und Kranken, die in ihr die liebreiche Mutter ehrten, zu versammeln pflegten, um ihre Gaben in Empfang zu nehmen. Ihr folgte eine ihrer liebsten Jungfrauen, und beide trugen unter ihren Mänteln Körbe voll Fleisch, Brot und Eiern. Da trat ihnen plötzlich der Landgraf in den Weg und fragte sie: „Was traget ihr? Lasset sehen!“ Dabei deckte er den Mantel seiner Gemahlin auf und sah – den ganzen Korb voll duftender Rosen. Sie aber war so sehr erschrocken, dass sie kein Wort hervorzubringen vermochte. Das dauerte ihn, und er begann ihr freundlich zuzusprechen. Ungehindert ließ er sie ihre Kranken weiterhin pflegen und speisen.

Dreihundert Arme speiste Elisabeth täglich in jener teuren Zeit, und als nun der Landgraf von einer Reise zurückkam und seine Amtleute ihm klagten, dass seine Gemahlin alles verschenkte, sprach er: „Seid ihr deshalb nicht gram! Lasst sie Almosen geben um Gottes willen, und seid ihr selbst dazu förderlich. Wenn wir nur die Wartburg, Eisenach und die Neuenburg behalten. Gott kann uns alles ersetzen, wenn es ihm gefällt.“