Die hartherzige Edelfrau

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Die hartherzige Edelfrau
Die Frau auf der Lauterburg musste keine Not leiden


Oberhalb vom Dorf Oberwohlsbach in der Nähe von Oeslau,
steht auf einem steilen Berg die Ruine der Lauterburg,
auch Ludwigsburg genannt

 
Repro: Ulrich Göpfert 

Gegen Ende des dreißigjährigen Krieges wohnte hier ein reicher Edelmann mit einer höchst geizigen Ehefrau. Damals herrschte große Not im Land und die wenigen übrig gebliebenen Menschen ernährten sich von Baumrinde, die sie zum Brotbacken verwendeten. Gierig fielen sie auch über das verendete Vieh her, daraus erwuchsen immer wieder neue Krankheiten.


  Foto: © Ulrich Göpfert

Die Frau auf der Lauterburg musste keine Not leiden, denn sie hatte Lebensmittel im Überfluß, die sie aber mit keinem hungrigen Bettler teilte. Sie warf die Reste lieber in den Schweinetrog, als sie den Armen zu geben. Sie war stolz und eitel, stand immer vor dem Spiegel und begaffte ihren kostbaren Putz und ihr glattes Gesicht. Von der Bibel wie auch von der Predigt des Pfarrers wollte sie nichts wissen und höhnte darüber bei jeder Gelegenheit.

Da kam einst zur Mittagszeit eine "Bettelfrau", schwach und krank, mit einem vorn an ihrer Brust gehängten Körbchen, in welchem Feuersteine waren, bot ihre Ware feil und flehte um ein Stück Brot. Die Magd, die ein weiches Herz in der Brust trug, wollte ihr gerade etwas Brot reichen, als die Edelfrau dazu kam und es ihr scheltend aus der Hand riß. Der  Frau traten vor Jammer Tränen in die Augen, und sie wiederholte schluchzend ihre Bitte.

"Was", kreischte vor Zorn die Edelfrau, "ihr wollt unter dem Vorwand, Feuersteine verkaufen, betteln? Mit Hunden lasse ich euch forthetzen, wenn ihr euch nicht gleich trollt. Lasst euch von euerem Himmel helfen; er muss mehr haben als ich, weil ihr ihn immer im Maul führt. Seht, da habt ihr, Bettelvolk, noch mehr Feuersteine"! Und warf einen großen Kieselstein in das Körbchen der Bettelfrau, dass die Frau vorwärts fast niedergerissen wurde.


  Foto © Ulrich Göpfert

Sie sagte nichts, sah die Edelfrau nur einen Augenblick mit jenem jammer- und vorwurfsvollen Blick an, der nicht zu beschreiben ist, und schleppte sich zum Tor hinaus. Aber siehe, als die Frau vor dem Tor stand, war aus dem Stein Brot geworden.

Die Edelfrau legte sich, ohne einen Abendsegen zu beten nieder und stand am nächsten Morgen nicht wieder auf, sie war tot. Als früh die Magd die Schweine fütterte, fand sie zu ihrer Überraschung ein Schwein vor, das groß und schwarz und gestern noch nicht dagewesen war. Das ungestüme Schwein stieß die anderen vom Trog weg und fraß gierig das herein geschüttete Futter auf. Die Magd dachte, der Edelmann habe, ohne dass sie es wußte, das Fette gekauft und schwieg. Als aber das schwarze Schwein auch die folgenden Tage alles auffraß und sich immer gieriger zeigte, meldete die Magd es ihrem Herrn. Da dieser nichts von einem Ankauf eines solchen Schweines wußte, kam die Sache bedenklich vor. Er machte sich allerlei Gedanken und begab sich nach Unterlauter zum Pfarrer. Nachdem sich dieser alles aufmerksam angehört hatte, schüttelte er den Kopf, ließ den Totengräber kommen und die Gruft öffnen. Der Sarg der Edelfrau war leer.


  Foto: © Ulrich Göpfert

Der Edelmann, vor Bestürzung außer sich, bat den Pfarrer um Beistand. "Dies ist Gottes Gericht und Strafexempel", sagte dieser, "doch will ich, was in meinen Kräften steht, versuchen". Er zog seine Amtskleidung aus, nahm ein Buch aus seiner Bücherei und begab sich mit dem Edelmann auf das Schloss.

Die Klapptür, wo der Schweinetrog stand, wurde geöffnet, und der Pfarrer, davor stehend, las aus dem Buch gar eifrig lateinische Worte. Das schwarze Schwein fuhr Anfangs wie toll im Stall hin und her, blieb endlich zitternd stehen und sprach mit gar kläglicher Stimme: "Ein jeder Gotteslästerer und Geizteufel soll sich an mir ein Beispiel nehmen. Ach, habt Barmherzigkeit mit mir und helft!" Der Pfarrer las in seinem Buch noch eifriger, dass ihm der Schweiß die Stirn herunter tropfte, konnte aber die Kunst der Beschwörung doch nicht richtig ausführen.

Denn auf einmal fuhr die Schwarze wie der Blitz hervor, rannte den Pfarrer nieder, dass er mit den Beinen in die Luft schlug, und stürzte an ihrem Ehemann vorbei in den Wald.


  Repro: Ulrich Göpfert

Oft wird im Wald in der Nähe der Lauterburg eine gewaltige schwarze Sau gesehen und die Leute ergreifen dann jedesmal die Flucht.

 Quellenhinweis: Volksmund