Der Dichter und Orientalist
Friedrich Rückert in Coburg
Das ehemalige Anwesen des Dichters Friedrich Rückert in Coburg-Neuses.
Heute befindet sich hier das Friedrich-Rückert-Museum
Foto: © Ulrich Göpfert
Er beherrschte 44 Sprachen schrieb viele Gedichte und übersetzte Geschichten der orientalischen Völker in die deutsche Sprache. Woher stammte dieser noch heute sehr geschätzte Dichter Friedrich Rückert? In den Schulen werden seine Parabeln (Gleichnisse), die Rätsel und die schönen Gedichte, die von unserem Frankenland erzählen, von Lehrern und Schülern gleichermaßen gerne gelesen. Friedrich Rückert lebte von 1788 bis 1866. Er wurde am 16. Mai 1788 als Sohn der Eheleute Johann Adam und Maria Barbara Rückert, geborene Schoppach in Schweinfurt geboren und starb am 31.1.1866 in Coburg-Neuses.
Das Stehpult des Dichters
Foto: © Ulrich Göpfert
Im ersten Stock seines 1838 erworbenen Gutshofes in Coburg-Neuses, Friedrich-Rückert-Straße 13 liegt sein Arbeitszimmer. Dort kann man u.a. das Stehpult des Dichters sehen. In der Stadt Schweinfurt hat er die ersten vier Lebensjahre verbracht. Unweit seines Geburtshauses auf dem Marktplatz wurde ihm ein Denkmal errichtet.
Friedrich Rückert am Mühltor
Eine Episode die der 10jährige Rückert bei einem Besuch seiner Großmutter in Schweinfurt erlebte, dort wäre es ihm beinahe übel ergangen. Nachdem er das schöne Rathaus betrachtet hatte, ging er die Mühlgasse hinunter bis zum Mühltor. Dort schaute er die steinerne "Eule“ an und fragte den Stadtsoldaten, warum das Tor denn Mühltor heiße. Der Soldat wusste das nicht, und der kleine Fritz staunte ungläubig. Das ärgerte den Mann und schimpfend jagte er ihn davon.
Vor dem Mühltor fand der Junge blühende Holunderdolden. Daraus konnte ja die Großmutter feine "Küchle“ backen! Schnell kletterte er auf den Hollerbusch und pflückte eifrig. Aber schon kam der Stadtsoldat mit seinen Kameraden daher, um den "Dieb“ zu ergreifen. Friedrich erschrak nicht schlecht, denn er fühlte sich unschuldig. Die Männer wollten ihn in die "Mäuseschanze“ sperren.
Gottlob erschien der Kommandant der Stadtsoldaten, der alte "Pax“. Der kannte den kleinen Rückert und seinen Vater gut. Auf seine Fürsprache hin wurde der erschrockene Sünder freigelassen. Der "Schnurrengeneral“ gab ihm lachend einige Püffe und meinte: Kennst nun die Soldaten, aus dem Staube mach dich stracks! Dass sie dich nicht braten, danke es dem "alten Pax“.Unter dem Titel: "Der alte Pax“ veröffentlichte der Dichter später ein Gedicht. Das Schweinfurter Gymnasium besuchte Rückert von 1802 – 1805. Als Siebzehnjähriger verlässt er es mit einem ausgezeichneten Zeugnis. Schon vor seiner Gymnasialzeit zieht die Familie Rückert 1793 mit dem vierjährigen Friedrich in das nördlich von Schweinfurt gelegene Oberlauringen. Der Grund des Umzuges lag wohl darin, dass es in Schweinfurt zu viele Advokaten gab und zu wenig Verdienst für Vater Rückert.
Im Gefolge der Napoleonischen Kriege ist das Auskommen auf dem Lande nicht mehr gesichert, so dass die Familie wieder nach Schweinfurt zurückkehrt, wo der Vater als königlicher Advokat zugelassen wird.Nach dem Besuch des Schweinfurter Gymnasiums studiert Rückert – hier als Student in Würzburg – in der unterfränkischen Universitätsstadt und in Heidelberg zunächst Rechtswissenschaft, ab dem 2. Semester widmet er sich jedoch – seiner immer deutlicher werdenden Neigung gemäß der Philosophie und Philologie.
Inzwischen – wir schreiben das Jahr 1807 – lebt die Familie Rückert in Seßlach, wo Friedrichs Vater als Territorialkommissar arbeitet. Hier im Amtshaus verbringt Rückert seine Semesterferien und schreibt um 1808 seine ersten Gedichte. Das Haus mit der Glocke im Türmchen, zu der es eine Ortssage gibt, regt ihn zu seiner ersten Ballade mit dem Titel: "Das Irrglöckchen“ an.
Von 1809 bis 1825 ist der Vater im benachbarten Ebern Rentamtmann, was wieder einen Umzug bedeutet.
Friedrich verbringt 1809 ein geruhsames Jahr bei den Eltern im idyllischen Ebern. 1811 habilitiert sich Friedrich Rückert in Jena. In seiner Arbeit "De idea philologiae“, also über Begriff und Aufgaben der Philologie, schließt er neben dem Griechischen auch die morgenländische Literatur ein. Nach zwei Semestern Lehrtätigkeit als Privatdozent der Altphilologie in Jena kehrt er der Universitätsstadt 1812 kurzentschlossen den Rücken, um sich voll und ganz der Dichtung zu widmen. Er lebt jetzt drei Jahre lang bei den Eltern in Ebern.
In der Zeit von 1812 bis 1815, während Rückert zeitweilig auf der Bettenburg bei Hofheim und gelegentlich zu Besuch in Bad Rodach weilt, macht er die Bekanntschaft berühmter Männer, wie des Komponisten Carl Maria von Weber, des schwäbischen Dichters Gustav Schwab, dem die "Schönsten Sagen des klassischen Altertums“ und die "Deutschen Volksbücher“ zu verdanken sind, und von Abraham Voß, den Sohn des berühmten Homer-Übersetzers.
Friedrich Rückert bekennt sich in jener Phase unter dem Pseudonym "Freimund Reimar“ dichterisch zu den Freiheitskriegen. Es ist etwa die Zeit, in der sich Napoleon auf dem Rückzug von seinem fehlgeschlagenen Russland-Feldzug befindet.Die Dichtungen der Befreiungskriege machen Rückert über Franken hinaus bekannt. Der aus Coburg stammende württembergische Staatsminister Carl August Wangenheim verhilft ihm daher 1815 zu einer Stelle als Mitredakteur beim Cottaschen "Morgenblatt für gebildete Stände“.
Aber bald schon fühlt sich der rastlose Rückert unwohl in seinem Redakteurberuf. Cotta, der die Begabung seines Mitarbeiters ahnt, verhilft ihm zu einer Italienreise, die Rückert in der zweiten Jahreshälfte 1817 antritt. Dort schließt er sich der deutschen Künstlerkolonie unter dem Mäzenat des "teutsch-gesinnten“ Kronprinzen Ludwig von Bayern an.
In Rom lernt er auch seinen späteren "Freund und Kupferstecher“ Carl Barth aus Eisfeld in Thüringen kennen, der hildburghausischen Heimat der Rückerts. Carl Barth verdanken wir zahlreiche gelungene Porträts von Rückert und seiner Familie. Auf seiner Heimreise über Wien trifft Friedrich Rückert Joseph von Hammer-Purgstall – den Orientalisten. Er bringt Rückert die persische, türkische und arabische Sprache und Literatur nahe. Damit wird der Eckstein für das künftige wissenschaftliche Werk Rückerts gelegt.
Im Laufe seiner Studien hat sich Friedrich Rückert über 40 Sprachen angeeignet und wichtige Werke der arabischen, persischen und indischen Dichtung ins Deutsche übertragen.
Im Jahr 1820 bezieht der Gelehrte wegen der umfangreichen Bibliothek in Coburg ein Mansardenzimmer in der jetzigen Rückertstraße, der Wohnung seines zukünftigen Schwiegervaters, des herzoglich-coburgischen Archivrates Johann Albert Christoph Fischer. Die Residenzstadt wird für Rückert von nun an der zentrale Punkt in seinem Leben, denn schon bald verliebt er sich in Luise Wiethaus, die Stieftochter des Archivrates Fischer in Coburg. Schon 12 Monate nach dem Kennenlernen, am 26.12.1821, wird das Paar in Coburg getraut.
Prunkband "Liebesfrühling“ - Der etwa 400 Gedichte umfassende Prunkband "Liebesfrühling“ ist ebenfalls im Museum in Coburg-Neuses vorzufinden
Foto: © Ulrich Göpfert
Voller Glück schreibt Rückert den ca. 400 Gedichte umfassenden "Liebesfrühling“, eine Sammlung, die lange zu den Lieblingsbüchern des deutschen Bürgertums gehörte und aus der eine ganze Reihe von Gedichten von Schumann, Liszt und anderen vertont wurden. Rückert avanciert zu einem "der ersten Orientalisten in Europa“.
1826 erscheint die Übersetzung der "Makamen“ des arabischen Dichters Hariri. Nun gelingt es ihm auch, eine Anstellung als Professor der orientalischen Sprachen an der Universität Erlangen zu bekommen, wo er fast 15 Jahre lang tätig ist. In diese Zeit fallen aber persönliche Schicksalsschläge. Hier sterben im Winter 1833/34 seine Lieblingskinder Luise und Ernst an dem damals in Erlangen grassierenden Scharlachfieber, was ihn zum dem Werk der "Kinder-Toten-Lieder“ inspirierte
"Nun hat man meine Kleinen
gebettet außer`m Haus,
ich lösche nun mit Weinen
das nächt`ge Lämpchen aus.
Wozu sollt` es scheinen?
Die Bettchen stehen leer,
ich seh` darin die Kleinen
im Schlaf nicht lächeln mehr.“
Im Jahre 1841 folgte er einem Ruf an die Berliner Universität. Für 300 Taler hält er – allerdings nur während der Wintersemester – Vorlesungen. In Berlin wird ihm auch der Geheimratstitel von König Friedrich Wilhelm IV. verliehen. Trotzdem ist Rückert von Berlin enttäuscht: Er wird einfach in der Berliner Gesellschaft nicht heimisch. Als Professor kann er auch dort nicht sehr viel Zuhörer für sein Fach gewinnen. 1848 – zwei Tage vor Ausbruch der Revolution – verlässt Rückert mit 61 Jahren für immer Berlin. Rückert kehrt gerne nach Neuses auf das Landgut zurück, das er vom Schwiegervater erworben hat. Mehrfach erscheint dieser "Neuseser Lieblingswohnsitz“ – unmittelbar bei Coburg gelegen – in seinen Gedichten.
"Neuer Sitz am alten Koburg,
mir im Herbst ein neuer Lenz,
meine kleine Freudenfrohburg,
Ehrenburg und Residenz!
Dessen Schatten ein Vertrauter
meiner Einsamkeiten sprießt,
wo die Lauter hell und lauter
meinem Zaun vorüberfließt.
Wo ich, was ich strebt`, erstrebte,
wo ich, was ich rang, errang,
meinen Liebesfrühling lebte,
meinen Liebesfrühling sang.“
Das Goldberghäuschen
Foto: © Ulrich Göpfert
Das sogenannte Gartenhaus auf dem Goldberg in Coburg-Neuses, wohin sich Friedrich Rückert gerne zurückzog, trägt die Inschrift: "Die Lieblingsstätte seines Ruhens und dichterischen Schaffens“ Nur ca. 700 Schritte vom Dorf entfernt, Schloss Callenberg in greifbarer Nähe – steht auch heute noch auf dem Goldberg ein zweistöckiges, hölzernes Gartenhaus, zu dem es Friedrich Rückert häufig zieht. Dermaßen nahe am Puls der Natur dichtete er:
"Ich stand auf Berges Halde,
als heim die Sonne ging,
und sah, wie überm Walde des
Abends Goldnetz hing.
Des Himmels Wolken tauten,
der Erde Friede zu, bei Abend-
glockenläuten, ging die Natur
zur Ruh`.“
Nun konnte er hier frei von allen Verpflichtungen in Ruhe arbeiten. Der hagere Mann, der alle anderen Leute um Haupteslänge überragte, dessen schönes Antlitz von herabwallenden Locken umrahmt, dessen dunkle Augen so gutmütig schauten, dessen hohe breite Stirn den gedankenreichen Gelehrten verriet, dessen kräftige Stimme so väterlich klang, und der so altbäuerliche Kleidung trug. Ganz allein schritt er zu seinem "Goldberg“ (kleine Erhebung im Stadtteil Coburg- Neuses), um mitten in der stillen Natur Kraft und Muse zu suchen für seine Gelehrtenarbeit.
Foto: © Ulrich Göpfert
Zu diesem wunderschön auf einer Anhöhe gelegenen Goldberghäuschen führt eine Baumallee, die der Dichter seinerzeit selbst angelegt hat. Man kann von da aus einen Blick werfen auf das gegenüberliegende Schloss Callenberg sowie zur Veste Coburg Das Grundprinzip, das sich in fast allen Dichtungen Rückerts nachweisen lässt, nämlich:
"Ich denke nie ohne zu dichten und dichte nie ohne zu denken“
kann auch mit dem berühmten Zettelregal in seinem Arbeitszimmer belegt werden. Rückerts Rocktaschen müssen wohl immer mit kleinen Notizzetteln gefüllt gewesen sein, auf denen er seine Gedanken festhielt. Fein säuberlich ordnete er sie dann jeweils in seinen Zettelkasten ein. Bis an sein Ende studierte er die alten Bücher der Araber und Inder, übersetzte geistreiche Sprüche, lehrreiche Gedichte und dichtete selbst viele weise Verse.
Einen Blick kann man auf dem Altar vom Sitzplatz des Dichters
aus in der Kirche von Coburg-Neuses werfen
Foto: © Ulrich Göpfert
Etwa ab 1865 erleidet er häufig Ohnmachtsanfälle. Am Morgen des 31. Januar 1866 kündigt ein Ersterben des Sehnervs das Ende an. Seine Ehefrau Luise starb bereits am 28. Juni 1857 im Alter von 60 Jahren. Beide finden im Doppelgrab an der Kirchhofmauer in Coburg-Neuses ihre letzte Ruhestätte. Sein letztes Gedicht wenige Tage vor seinem Tod lautet:
"Verwelkte Blume Menschenkind,
man senkt gelind dich in die Erde hinunter,
dann wird ob dir der Rasen grün und Blumen blühn,
und du blühst mitten darunter“.
Das Grab von Friedrich Rückert und seiner Frau auf dem alten Friedhof
neben der Kirche in Coburg-Neuses
Foto: © Ulrich Göpfert
Annemarie Schimmel, Professorin für Indo-Muslimische Kultur an der Havard University, schreibt in ihrem viel beachteten Werk über Friedrich Rückert:
"Er mag als Mensch nicht immer einfach gewesen sein, als Dichter sich nicht ständig auf poetischen Höhenflügen befunden haben, aber als Meister der Form und Sänger inniger Lieder, als Verkünder der Einheit hinter allen vielfältig gebrochenen Sprachen und Religionen, als Sucher nach Wahrheit im "Wurzelgeflecht ältester Sprachen der Welt“ und vor allem als ein Dichter, dessen liebevolle Humanität Ost und West trotz aller Unterschiede zu verbinden suchte, lebt er... auch heute weiter und setzt ein Beispiel für alle, die nach Verständigung der Völker suchen“. Was meines Erachtens gerade in unserer jetzigen Zeit von aktueller Dringlichkeit bitter nötig ist.
Wenn sie lieber Leser auf den heimischen Spuren des Dichters Friedrich Rückert wandern wollen, empfiehlt sich ein Besuch in Coburg-Neuses, wo man in Andacht sein Grab beschauen, auf dem Goldberg sein Gartenhaus betrachten kann, in dem das schöne "Abendlied“ entstand und an dem Ehrfurcht gebietenden Antlitz der Rückertbüste im Rückertpark in Ruhe und Beschaulichkeit stehen kann.
Außerdem empfiehlt sich ein Besuch im Hause des Dichters, dass gleich neben der Kirche in Neuses, Friedrich-Rückert-Straße 13, zu finden ist. Darin ist ein kleines Museum eingerichtet. Dieses Museum wird von den Nachfahren (dem Ururenkel des bekannten Dichters – von Klaus Rückert und seiner Frau Christel ) privat betreut und verwaltet – unter dem Begriff: "Wohnen im Museum“.
Der Museumsbesuch sollte unbedingt unter:
Telefon : 09561 – 66308 vorher angemeldet werden