MDR-Projekt lüftet Geheimnis
Dunkelgräfin von Hildburghausen
war keine Königstochter
Die Dunkelgräfin von Hildburghausen ist nicht Marie Thérèse Charlotte de Bourbon, Tochter von Marie Antoinette und Frankreichs König Ludwig XVI. Das interdisziplinäre Wissenschaftsprojekt von MDR THÜRINGEN hat ein zweifelsfreies Ergebnis gebracht: Die DNA-Proben aus dem Grab in Hildburghausen stimmen nicht mit der weiblichen Linie Maria Theresias, der Mutter von Marie Antoinette, überein.
So sah die Dunkelgräfin wahrscheinlich als ältere Frau aus.
Computerbild des Gesichts einer älteren Frau. Sie schaut streng, hat helle Augen, geschwungene Augenbrauen, kurze, leicht gewellte grau-schwarze Haare, eine kräftige Nase und einen schmalen Mund.
Foto: 2014 © MDR
Grundlage für die DNA-Vergleiche beim MDR-Projekt war zum einen die Analyse von Proben aus dem Herzen des Dauphin, des Bruders von Marie Thérèse, das in der Basilika St. Denis bei Paris aufbewahrt wird. Diese Analyse war bereits im Jahr 2000 von Wissenschaftlern der Universitäten Leuven und Münster vorgenommen worden. Damals wurde die Probe mit der DNA heute lebender Nachfahren verglichen, um die Echtheit des Herzens zu belegen. Zweite Grundlage war ebenfalls eine Probe eines lebenden Nachfahren. MDR THÜRINGEN hatte eine Probe von Alexander Prinz von Sachsen untersuchen lassen. Sie stimmte mit den Ergebnissen der Studie aus dem Jahr 2000 überein, aber nicht mit der DNA aus dem Grab der Dunkelgräfin in Hildburghausen.
Seltene DNA-Sequenz
"Damit können wir ganz eindeutig sagen: Die Dunkelgräfin kann nicht die Prinzessin sein", sagte Prof. Walther Parson, Molekularbiologe am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck. "Es bleibt aber sehr spannend, wer die Dunkelgräfin wirklich war, denn wir haben eine nicht alltägliche DNA-Sequenz", fügt Prof. Sabine Lutz-Bonengel vom Institut für Gerichtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg hinzu. "Wir haben vielleicht die Chance, mit dieser Sequenz die mütterliche Linie der Dunkelgräfin zu finden."
MDR THÜRINGEN ließ die sterblichen Überreste der Dunkelgräfin nicht nur genetisch, sondern auch anthropologisch analysieren. Die Untersuchungen umfassten zum einen die Analyse des Skelettes, um Informationen zum Lebenslauf der Frau zu erhalten. Zum anderen wurden Porträtvergleiche von Marie Thérèse aus verschiedenen Lebensphasen vorgenommen. Kindliche Gesichtszüge aus den frühen Porträts konnten durch Simulieren der Wachstums- und Alterungsprozesse zu dem Gesicht der alternden Frau gewandelt werden. Dabei zeigten sich Unstimmigkeiten, die Zweifel aufkommen lassen, ob die spätere Herzogin von Angoulême mit der jungen Prinzessin identisch ist.
Gab der geheimnisvollen Frau aus dem Grab ein Gesicht:
die Anthropologin Ursula Wittwer-Backofen.
Foto: 2014 © MDR/Ute Gebhardt
Die Dunkelgräfin hat ein Gesicht
Mit einer Gesichtsweichteilrekonstruktion auf dem Schädel aus dem Grab der Dunkelgräfin hat Prof. Ursula Wittwer-Backofen vom Institut für Biologische Anthropologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg der Dunkelgräfin ein Gesicht gegeben. Die Proportionen des rekonstruierten Gesichts sind mit den Porträts von Marie Thérèse nicht vereinbar. "Aber mit diesem Gesicht und den molekulargenetischen Erkenntnissen, die nun vorliegen", so Wittwer-Backofen, "hat man nun die Möglichkeit, weiter zu recherchieren. Denn das Geheimnis bleibt weiterhin bestehen."
Die Dunkelgräfin als junge Frau (Rekonstruktion)
Foto: 2014 © MDR
"Das Resultat macht den Blick frei für das wahre Schicksal dieser besonderen Frau", sagt Thomas Meyhöfer vom Interessenkreis "Madame Royale". "Die Identität der Dunkelgräfin und das Motiv für ihr seltsames Verhalten bleiben weiterhin ungeklärt. Die Forschung muss zukünftig neue Wege beschreiten. Ihre Aufgabe wird es sein, bestehende alternative Theorien über die Identität der Dame auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen oder gänzlich neue Erklärungen für die damaligen Ereignisse zu finden. Dies stellt eine schwierige, aber zugleich auch spannende und interessante Herausforderung dar."
Die unbekannte Dame war 7. Februar 1807 im thüringischen Hildburghausen angekommen. Dort lebte sie 30 Jahre bis zu ihrem Tod in absoluter Isolation. Über ihre Identität wurde nichts bekannt. Da sie stets verschleiert zu sehen war, wurde sie die Dunkelgräfin genannt. Zeugen wollen damals eine Ähnlichkeit mit der französischen Königstochter Marie Thérèse ausgemacht haben.
Die Dunkelgräfin muss auf jeden Fall eine Standesperson gewesen sein. Da sind sich alle Historiker trotz ihrer widersprechenden Theorien einig. Denn trotz des isolierten und von ständiger Furcht vor Erkennung geprägten Lebens, haben die geheimnisvolle Dunkelgräfin und ihr Begleiter in 30 Jahren nach heutigen Maßstäben etliche Millionen Euro ausgegeben.
Quelle: MDR.de/Thüringen/Dunkelgräfin/Hildburghausen/Ergebnis