Schicksal eines Lehrers
Eine Erzählung aus dem Coburger Land des
19. Jahrhunderts über eine Liebe bis zum Tod
In Neustadt wurde am 16. Dezember 1848 Heinrich Dengler als Sohn des Drexlermeisters Johann und seiner Frau Elsbeth aus Boderndorf geboren, und ein junges Menschenleben betrat, hoffnungsfroh von den Eltern begleitet als einziges Kind, die Bühne des Lebens, die, wenn er zurückblickte auf den Anfang, nach erlebter Vollendung Bilder von einer Seele entstehen ließ, Bilder vom Werden, von Weggefährten, auch von Gegnern, Bilder der geliebten Heimat und auch die von erreichten Grenzen. Der Mensch trägt nicht nur sein ihm eigenes Lebensgesetz in sich, er wird auch von außen her geprägt und geformt, so dass das Schicksal bipolar (zweipolig) von innenbürtigen Kräften und von außen her herausfordernden Mächten bestimmt wird.
Das erfuhr der "Heiner" gerufene Junge schon von klein auf, der klug, aufgeweckt, aber etwas zu dünn heranwuchs. Neben den ihn umsorgenden Eltern gewann der wißbegierige und hochbegabte Junge auch Förderer, die seinen frühen Weg begleiteten, einmal den Pastor Wagner, der ihm nicht nur die geistige Heimat des Glaubens erschloß, sondern ihn auch die Natur aus der Nähe zu sehen lehrte, dann seinen Lehrer an der einklassigen Schule, Herman Kugler, der ihm ein für die damalige Zeit umfassendes Wissen vermittelte, denn er besaß eine mit viel Bedacht gesammelte Bibliothek, der ihm auch die Grundkenntnisse des Lateinischen so vermittelte, privat, so dass sich die beiden fließend in dieser antiken Sprache unterhalten konnten, was sie auch zum Gaudium der anderen Schüler vorführten. Aber nicht nur die vergangene Kultur der Römer wurde ihm dargelegt, der Kugler, selbst Autodidakt, lehrte ihn Flöte spielen, und zwar auf einer vom Vater erworbenen Querflöte, und schenkte ihm damit ein unersetzliches Juwel für sein ganzes Leben.
Doch Heiner blieb ein Bub wie die anderen, wuchs im Spiel und auch gelegentlichen Streichen wie auch Raufereien heran, vom Vater in das Drexlerhandwerk eingeführt, dem er schon mit neun Jahren in der Werkstatt half, von den Gesellen dabei lächelnd unterstützt. So lernte er nebenher auch ein einbringliches Handwerk, das sogar ins künstlerische hinein mündete, denn die Formen und Verzierungen wurden nach eigenen Ideen entworfen, und dies förderte der Vater besonders. Er ließ ihn ab dem zehnten Jahr sogar eigene Gegenstände entwerfen und ausführen, im Stillen hoffend, dass er dereinst sein Werk übernehme und fortführe. Doch der Mensch denkt und plant, das Schicksal, das undenkbare, aber geht den Weg der immanenten, zur Entfaltung drängenden Anlagen und Fähigkeiten. Denn bald schon, mit dem zwölften Lebensjahr, hatte der Heiner das Drexlerhandwerk so erlernt, dass ihn die Lehrlinge und auch die Gesellen um die ausgeführten Entwürfe sogar beneideten, der Vater an den Grenzen einer weiteren Lehre angelangt schien.
Aber auch durch des Lehrers Bemühen hatte der Junge von den geistigen Mächten des Menschen so vieles erfahren und durch ausgewähltes Lesen gewonnen, so dass es ihn zu größeren geistigen Abenteuern förmlich trieb. Der Lehrer Kugler leistete dafür die nötige Vorarbeit, indem er den Denglers nahelegte, Heiner ans Gymnasium nach Coburg zu schicken, woselbst er mit dem Abitur auch die Studierfähigkeit erwerbe, um danach in Leipzig auf die Universität zu gehen, denn dazu habe der Bub die Fähigkeiten.
So marschierten im August Vater und Sohn nach Coburg, wo des Vaters Schwester, mit einem Beamten des Herzogs verheiratet, ein geräumiges Haus besaß und Heiner ein Unterkommen finden konnte. Das gelang auch, denn die kinderlose Tante war hocherfreut, junges Blut in ihr Haus zu bekommen, und sie richtete unterm Dach eine gemütliche Bude ein, so dass er das Elternhaus entbehren konnte. Das finanzielle Opfer brachte der Vater gern - zumal ihm ja der Lehrer versicherte, der Heiner könne studieren.
Nur allmählich fand sich der Junge vom Lande in das gymnasiale Leben und in die Gesellschaft der einsitzenden Adels- und Bürgerkinder ein, doch als seine Lehrer erstaunt feststellten, dass der Heiner fließend Latein beherrschte, was den meisten Doktoren an der Schule nicht gelang, da stieg er nicht nur in deren Achtung, sondern auch in der seiner Mitschüler, konnte er, der gleichen Alters war, ihnen doch schon nachhelfen und sich persönlich ein stattliches Taschengeld verdienen. Aber nicht nur in den Sprachen war er begabt, er meisterte spielend auch die realen Fächer, wie Mathematik, Physik und Chemie, die damals zu lehren man begonnen hatte. So überrundete er schon in den beiden ersten Schuljahren seine Mitschüler, was aber bei manchen Adelssöhnen Neid entfachte und er somit kaum wirklich Freunde gewann. Doch vermochte niemand, ihm einen Schaden zuzufügen, denn er war durch die Arbeit in seines Vaters Werkstatt körperlich so gestählt und entwickelt, dass ihm von den Jüngelchen in seiner Klasse keiner nahe kam.
Einmal hatte es der Sohn des herzoglichen Kämmerers versucht und hatte ihm auf dem Pausenhof ein Bein gestellt und ihn so zu Fall gebracht, während einige Eingeweihte dabeistanden. Ehe sich der zwei Jahre ältere Angeber versah, hatte ihn Heiner so in den Sand geworfen, dass dem der Appetit verging, ihn noch einmal herauszufordern. Seitdem behandelten ihn die anderen meist verzogenen und auf ihre Geburt eingebildeten Jungen mit Respekt. Keiner forderte nunmehr den Einsamen und Zurückhaltenden heraus. Seine Lehrer waren jedoch über diese Isolierung nicht sehr glücklich, meinten sie doch, dass sich sein Sozialverhalten nicht im rechten Maße entwickeln könne.
Heiner blieb der gelassene, ruhige, stets hilfsbereite Junge, der seinen Weg suchte und folgerichtig beschritt, das ihm Auferlegte und von ihm Geforderte nach besten Kräften erfüllte und sich durch nichts ablenken ließ. So kam es auch, dass er alle die halbwüchsigen Torheiten und Versuchungen gar nicht miterlebte, sondern eher ein mönchisches, asketisches Leben führte, worin ihn seine Tante noch bestärkte, denn die hielt auf Reputation und achte darauf, dass "die Leit nix zum Nochsogn" hatten.
In seinem Lebensbereich brachte er es in schon jungen Jahren zu einer gewissen Meisterschaft, nämlich im Flötenspiel, das er nicht nur weiter pflegte, sondern durch ständiges Üben zur Vollendung bringen wollte. Er wurde mit 15 Jahren - eine große Ausnahme - in den Coburger Musikverein aufgenommen, trat sogar als Solist auf, z.B. bei Mozarts Flötenkonzert KV 299, auch in den Kammerkonzerten mit Soloflöte hatte er seinen Part geleistet, so dass er sich in Coburg bald einen Namen als Musiker erwarb.
Im Juni 1860 schloß er das Gymnasium mit einem so erfolgreichen Abitur ab, dass sogar die Herzogsfamilie davon unterrichtet wurde und der Rektor für ihn um ein Stipendium zum Studium an der Universität Leipzig bat. So wurde er einen Tag nach der Abiturfeier von dem Herzog Erst II. und seiner Gemahlin Maria, Prinzessin von Württemberg, in Audienz empfangen und erhielt vom Herzog persönlich die Stipendiatsurkunde, womit er jährlich 360 Gulden zugesprochen erhielt, sich aber dem Herzog durch Handschlag für Dienste im Herzogtum verpflichten musste, was er freudigen Sinnes tat.
Heiner bedankte sich in wohlgesetzten, auch von ihm vorbereiteten Worten und beteuerte, dass er seinen Dank für ein sorgenfreies Studium durch treuen Dienst im Herzogtum erstatten wolle, worauf ihm der Herzog die Hand schüttelte und die Herzogin ihm die ihre zum Kuß reichte. Noch voller erlebnisreicher Bilder der Feier und des Empfanges packte er seine zwei Urkunden in ein Umschlagpapier und eilte nach Neustadt zu seinen Eltern, wo er ihnen das Abiturzeugnis mit lauter Einsern und das Stipendiat zeigte. Zugleich aber erklärte er den erfreuten beiden Alten, dass er nicht zu Hause bleiben wolle, und der Herzog erwarte von ihm ein erfolgreiches Studium. Daraufhin schaute ihn der Vater traurig an und sagte: "Gehst also in die Fremde, Bub, hast keine Lust zum Handwerk, obwohl Du beinahe als Drexler perfekt wärest?" Heiner wehrte ab: "Nein, Vater, schau, da draußen wartet eine Welt auf mich, die ich für mich entdecken möchte. Bitte, gib dem Karl, dem Altgesellen, Deine Werkstatt, wenn Du ins Alter kommst, der ist ordentlich, ehrlich und kenntnisreich genug, um Dein Werk weiterzuführen, und er ist bestimmt zu jeder Hilfe bereit, wenn dies einmal nötig werden sollte. Ich aber gehe im Herbst nach Leipzig, und, bitte verzeiht mir, dass ich diesen anderen Weg wähle. Habt Dank für Eure Liebe und Sorge"! Die Mutter weinte leise vor sich hin, ihr Einziger ging von zu Hause fort, auch der Vater wischte sich über die Augen, blickt aber doch mit Stolz auf diesen so anders gearteten Sohn.
Dann verabschiedete sich Heiner, er müsse wieder nach Coburg zurück, denn er müsse am Abend an einem Serenadenkonzert zu Ehren des Herzogs mitwirken, denn er dürfe in dieser Darbietung, der Triosonaten von J.S. Bach, den Flötenpart spielen: "Auch die Musik, vom Lehrer Kugler gelehrt, habe ich so lieb gewonnen, so dass ein Teil meines Lebens geworden ist". Fröhlich winkte er ihnen zu und sagte abgehend zur Mutter: "Bis zum Herbst bleibe ich noch bei Euch!"
Er eilte fast im Laufschritt in die Stadt, denn er wollte den Bachpart noch einmal üben. Doch es ereignete sich kurz hinter Einberg etwas Schicksalhaftes für sein junges Leben. Er hörte während seines Laufes plötzlich hinter sich das Schnauben eines Pferdes, der an ihm vorbeipreschende leichte Jagdwagen streifte ihn im Laufen und schleuderte ihn ins nahe Gebüsch, wobei er einen Schreckensschrei ausstieß. Er blieb von einem Schlag an den Kopf bewußtlos liegen, erwachte dann nach einem gefühlten Streicheln seiner Stirn nach einigen Minuten und schaute...in ein paar große veilchenblaue Augen, die ihn voller Mitgefühl anblickten.
Dieses Augenpaar glänzte aus einem zarten, von brünetten Locken umrahmten Gesicht, das in diesem Augenblick des ersten Erkennens sogleich zutiefst in seine Seele tauchte. Das Fräulein, denn um ein solches handelte es sich, was Kleidung, Wagen und Erscheinung bestätigten, stammelte: "Ach, lieber Junge, verzeih` mir meine Unachtsamkeit, mein Wagen muss bei der schnellen Fahrt nach rechts geschleudert und Dich getroffen haben. Bitte, hast Du Dir wehgetan?" Heiner betrachtete sie jetzt genauer, dann befühlte er seine Glieder, merkte den dumpfen Schmerz im Kopf, rappelte sich auf und sank mit einem Schmerzstöhnen zurück: "Der Kopf und der linke Fuß sind nicht in Ordnung, doch ich muss in die Stadt, es ist für mich sehr wichtig." Das Fräulein schaute sich den Jungen nun genauer an, der sprach ein Deutsch der Gebildeten, war also kein Bauerntölpel, obwohl er der Kleidung nach hätte dafür gelten können, denn er trug ein grobes Leinenhemd, eine abgewetzte Bundhose und war - shocking - barfuß. Sie erbot sich, ihn in die Stadt mitzunehmen oder eine Hilfe zu holen: "Ich kann Dir", sie blieb bei dem Du, "vielleicht beim Aufstehen und auch Aufsitzen helfen, wenn Du willst und Dich zum Dr. Rosner bringen, der Dich untersuchen könnte." Heiner nickte: "Versuchen wir es mit vitibus unitis, mit vereinten Kräften!" Sie lächelte ihn an: "Ist Er ein Studiosus, weil Er Latein parliert?" Heiner sich empor mühend: "Das Du von vorhin gefällt mir besser." Er kam zu Stehen, sie hatte ihn am rechten Ellenbogen gehalten und sagte dabei: "Halte Dich an meiner Schulter fest und versuche zu gehen." So erreichten sie den Wagen, er zog sich, sie schob ihn, und so konnten sie ungehindert nach Coburg fahren.
Beide hatte diese Schwerarbeit angestrengt, und so saßen sie keuchend nebeneinander, als das Fräulein mit der Peitsche das Pferd wieder in Trab setzte: "Sag` mir bitte Deinen Namen, Studiosus, damit ich wiedergutmachen kann, was ich Dir angetan und Dein Zuhause!" Heiner antwortete: "Ich bin Heinrich Dengler aus Neustadt, wo meine Eltern wohnen, doch ich lebte bis vor kurzem bei meiner Tante in der Salzgasse hier in Coburg, wo ich das Gymnasium besuchte und vor zwei Tagen das Abitur erhielt." Sie schaute ihn erstaunt an: "So, Abiturient, noch kein Studiosus, also wirst Du studieren?" Er nickte und sagte: "In Leipzig. Doch sagt mir auch Eueren Namen, gnädiges Fräulein, wem verdanke ich diese einmalige Begegnung?" Sie lächelte ihn errötend an: "Nun, gnädig war ich mit Dir wirklich nicht. Ich bin Victoria von Falkenberg." Er schaute sie etwas verlegen an: "So ist sie die Baroness von Falkenberg, wohl die Tochter unseres Kanzlers?" Sie nickte und sagte: "Aber deshalb brauchst Du nicht in Ehrfurcht zu versinken, ich bin ein Mädchen, kaum 17 Jahre, und ein Mensch, und meine Freundinnen nennen mich Vicki, so bitte ich, sag` künftig auch zu mir und ach Du ja!" Heiner ergänzte: Ich werde im Dezember 19 Jahre. "Was?", schrie sie begeistert, "ich auch im Dezember, ich bin sogar ein Christkind, am 24. geboren!" So unterhielten sie sich während der Fahrt und waren bald vertraut wie alte Schulfreunde. Heiners anfängliche Schüchternheit war verflogen. "Hör`, Vicki, ich muss heute noch in einem Konzert des Musikvereins spielen, deshalb muss mich der Doktor so verarzten, dass das möglich ist." "Und ich spiel Spinett", jubelte sie, "das gibt sich ja prächtig. Was spielst Du, haust auf die Pauke?" Heiner lachte so sehr, dass ihm das Kopfweh verging: "Nein, ich blase Querflöte wie Friedrich der Große." Sie begeisterte sich darüber: "Fein, da können wir ja zusammen musizieren. Ich besitze übrigens alle Flötenkonzerte mit Kammerbegleitung des Königs, auch die beiden Mozarts und die von Bach". Da erzählte er ihr, dass sie heute ein Kammerkonzert von J.S. Bach spielen, die Triosonaten, und er den Flötenpart blase. Sie sagte darauf: "Da gehe ich mit meinem Vater hin und passe auf, ob Du nicht mal danebengreifst!"
Er sagte bedauernd: "Schon möglich, ich wollte nämlich noch einmal den Part üben, doch Du hältst mich ja davon ab, nicht nur, dass Du mich außer Gefecht gesetzt, nein, die Begegnung mit so einem schönen Mädchen hat mich völlig durcheinandergebracht!" "Oh", sagte sie, "der Herr Studiosus machen Komplimente, beweisen Charme". "Nein, wirklich Vicki", sagte er verlegen, "das ist die reine Wahrheit, ich habe noch nie so ein schönes Mädchen wie Dich in der Nähe, so neben mir, gesehen."
Bald hatten sie die Gerbergasse erreicht, und sie hielt vor Dr. Rosners Haus. Der war erstaunt über dieses Paar, kannte er doch Victoria von klein auf, untersuchte den Fuß, stellte den geschwollenen Knöchel durch einen Verband ruhig und bat ihn, morgen zum Eingipsen zu kommen, denn es sei der Fuß noch sehr geschwollen, er brauche eben eine verläßliche Stütze. Da sagte die Baroness: "Die hat er, nämlich mich!" Vicki hatte der Untersuchung beigewohnt und erzählte dem Arzt von dem Unfall und dass Heiner abends im Konzert spielen müsse. Da sagte der Doktor: "Gut, dann trägt Sie für den Musikus die Verantwortung mit kräftigem Arm!"
Vicki brachte ihn noch zur Tante, führte ihn stützend ins Haus und bereitete der armen Frau durch ihr Erscheinen einen gelinden Schrecken. Die Baroness von Falkenberg bei ihr im Haus, und sie schleppte noch dazu den Neffen humpelnd herein. Gleich wollte sie Kaffee bereiten und mit Gebäck aufwarten, doch Vicki erzählte kurz den Vorgang für diese Humpelei, verabschiedete sich und sagte, sie werde Heiner um sieben Uhr zum Konzert abholen. Die beiden Frauen brachten Heiner noch ins Wohnzimmer, wo Notenpult und Flöte seiner warteten, dann geleitete die Tante das Fräulein hinaus.
Die Konzertveranstaltung brachte an diesem Abend für Heiner den dritten Höhepunkt in diesen Tagen, denn er saß rechts vom Cembalo, der Geiger links, so im Blick der Zuschauer. Da die Triosonaten von den Musikern nicht nur technische Fähigkeiten erforderten, sondern vor allem Einfühlungsvermögen und harmonischen Zusammenklang, war es für Heiner ein beachtenswerter Erfolg, dieses Konzert gemeistert zu haben. Er sah auch, dass Vicki mit einem älteren Herrn im Frack und zwei Ordenssternen in der zweiten Reihe saß und daß sie ihm vor Beginn des Konzertes zweimal verstohlen zugewinkt hatte, was dem Vater nicht verborgen geblieben und er mit einem erstaunten Blick auf die Tochter bedachte. Nur war sich der Kanzler nicht im Klaren, wem die verstohlene Winkerei galt. Um so mehr erstaunte er, als Vicki am Schluß des Konzerts aufsprang und allein zu klatschen begonnen hatte, worauf das Auditorium ebenfalls aufstand und stehend applaudierte. Der Vater bemerkte nur etwas mokiert: "Übertreibe nur nicht gleich so auffallend, Vicki!" Sie antwortete: "Aber Vater, war das nicht sehr eindrucksvoll und schön?". Der nickte und wandte sich zum Ausgang des Saales. Vicki schritt zu Heiner und sagt: "Ich bin stolz auf Dich, Du spielst ja meisterlich. Ich besuche Dich morgen bei der Tante, und wenn Du wieder gehen kannst, dann musizieren wir!" Heiner, noch etwas in Schweiß gesetzt, sagte: "Es wird mir eine große Ehre sein, Baroness Vicki!", worauf sie ihm mit dem Fächer auf den Kopf klopfte: "Du Charmeur!"
In der Fürstenloge hatte sich die Herzogin mit drei Hofdamen eingefunden, und in der Pause hatte Victoria die Fürstin aufgesucht, ihr den Vorschlag unterbreitet, mit Heiner ein kleines Hofkonzert, sie am Cembalo und er mit der Flöte, zu veranstalten, was die hohe Frau gern bewilligte, aber sie möge doch zuvor den Jungen zum Nachmittagstee mitbringen, dann könne man mit ihm gemeinsam diesen äußerst dankenswerten Vorschlag besprechen.
Nach dem Konzert wartete nun der Kanzler nervös auf die Tochter, und als sie noch ganz aufgeregt erschien, meinte er ironisch: "Na, dem Künstler ein Küßchen gegeben?" Vicki schaute ihren Vater erstaunt an: "So habe ich Dich noch nie erlebt, lieber Vater. Was denkst Du denn von mir?" Der schaute hinaus zu den heimstrebenden Menschen und sagte nur so nebenbei: "Weißt Vicki, Du kommst in ein Alter, wo ein alleinstehender Vater aufpassen muß, damit die Tochter nicht unverzeihliche Fehler begeht!" Sie lächelte vor sich hin: "Ist es ein Fehler, einen Freund zu gewinnen, mit dem man auch Kultur pflegen kann? Die Herzogin will uns nämlich zu einem Hofkonzert einladen, den Heiner und mich!" "So", sagte der Vater, "Heiner heißt er, und aus welchem Stall kommt er?". Sie antwortete: "Aus Neustadt, er hat vor drei Tagen das Abitur gemacht und wird im Herbst nach Leipzig an die Universität gehen, er erwähnte auch, dass ihm der Herzog ein Stipendium geschenkt habe". Etwas beruhigter meinte der Kanzler darauf: "Na, wenigstens ist es kein fahrender Musikus, dem Du Dein Interesse widmest, so und nun Schluß damit, Hofkonzerte sind erlaubt, näherer Umgang nur zum Musizieren, bedenke immer, wer Du bist und welchen Namen Du trägst, Vicki!"
Schon am nächsten Tag am Nachmittag besuchte sie den Heiner, der in seinem Sessel saß und eifrig schrieb. Sie reichte ihm die Hand, er schaute sie an: "Mein Gott, bist Du ein schönes Mädchen und blühst wie eine Sommerrose!" Wieder gab sie ihm einen Klaps mit dem Fächer: "Hör` Heiner, die Herzogin lädt uns morgen zum Tee. Kannst Du gehen mit dem Fuß?" Er antwortete: "Ich habe heute einen Gipsverband erhalten, und Dr. Rosner meinte, mit einem Stock müsste ich gehen können. Was sollen wir denn bei der Herzogin? Sie ist eine freundliche und sehr leutselige Dame, ich mag sie sehr!" Vicki: "Stell` Dir vor, wir sollen gemeinsam ein Konzert am Hof spielen, Du mit Flöte, ich mit Cembalo, aber mein Vater will mir bald eine Klavier kaufen, einen Flügel. Ich bekomme einen Blüthnerflügel aus Leipzig, doch wir könnten auch den Berliner Bechstein nehmen, der im Musikzimmer der Herzogin steht, der ist erstklassig. Was meinst Du dazu, könnten wir ein Konzert geben?" Heiner schlug das Herz bei dieser Frage bis zum Hals, und aufgeregt sagte er: "Wenn ich Dir mit meinem Spiel genüge, versuchen könnten wir es einmal. Doch was sollen wir spielen?" Vicki: "Du genügst mir, denn Dein Konzert gestern bewies mir, dass Du nicht nur perfekt spielst. Du bist ja ein Virtuos!" Heiner: "Aber, Vicki, dazu fehlt es noch weit, ich kenne meine Grenzen.
Was meinst Du, sollten wir das Flötenkonzert von Mozart KV 279 einmal probieren, Du müsstest Dir den Klavierpart schreiben lassen." Das sei nicht schwer, sagte sie, das könne ihr Klavierlehrer, der Prof. Meyer, für sie bestimmt besorgen, der sei übrigens ein hervorragender Kenner des Mozartschen Gesamtwerkes. Gut, das erledige ich, und üben können wir bei uns oder draußen in Schloss Rosenau, dort habe ich ein eigenes Musikzimmer. Er nickte: "Wie Du willst, ich bin stets Dein Page." Sie sagte darauf: "Gut, ich hol` Dich heute um 5 Uhr ab, und wir probieren, ob wir harmonieren." Wieder verabschiedete sie sich mit einem Fächerklaps und einem "So long". Sie beugte sich zu ihm und küßte ihn auf die rechte Wange in einem Augenblick, als die Tante hereintrat.
Die Tante stand starr, und als Vicki gegangen war, da sagte sie: "Mein Gott, Bub, die Falkenbergsche Baroness hat Dich eben geküßt. Wer`s nicht gesehen, glaubt es nicht, dabei ist sie bekannt für ihre Zurückhaltung und Noblesse. Des Kanzlers einzige, denn er hat keine Kinder weiter, auch nach dem frühen Tod seiner Gemahlin, der Gräfin von Rotenhan, blieb er allein. Der wacht über seinen Augapfel wie der Drache über den Nibelungenschatz. Aber dass ihr zueinander Du sagt, ist schon sehr verwunderlich." Heiner lachte sie an: "Wenn sie es doch wollte, ich war höflich und die Ehrfurcht in Person. Doch dann merkte ich, dass sie ein nettes und fröhliches Menschenkind ist." Die Tante warnte: "Bub, sei g`scheit, sie erlaubt es, aber der Vater, in die Knie gehst vor dem, Dir hat nur der Zufall mit Deinem Bein geholfen!" "Und auch meine Flöte, Tante Berta, denn wir werden heute zusammen spielen, hat sie gewollt, also! Er stand auf, nahm den Stock und versuchte es mit dem Gehen, und es gelang sogar besser als gedacht. Er legte sich aufs Sofa und schlief sogleich ein. Da erschien ihm im Traum eine alte Frau und sagte: "Es ist nicht der Schein, sondern das Sein, das den Wert eines Menschen bemißt." Den Traum hat er zeitlebens nicht mehr vergessen.
Es gelang, der Klavierlehrer Meyer setzte den Klavierpart zum Mozartflötenkonzert KV 279 um, sie übten zwei Nachmittage im Stadthaus des Barons, wozu Vicki den Heiner im Jagdwagen abholte, ihm fürsorglich aufsteigen half, indem er den rechten Arm um ihre Schulter legte, und die Nachbarn guckten sich die Augen aus. Sie fuhren an einem Samstag zusammen zum Teekonzert nach Schloss Rosenau, wohin die Fürstin eingeladen hatte, im Jagdwagen über Oeslau, wurden von zwei Lakaien empfangen und in einen Saal geleitet wo sie vor Erstaunen stehenblieben, denn der Anblick so vieler hochgestellter Persönlichkeiten für ein Teekonzert war verblüffend.
Königin Victoria
Das Repro zeigt die Königin Victoria von Großbritannien und Irland
(1819-1901). Gemalt von Franz Xaver Winterhalter im Jahr 1842.
Im Besitz der Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha`schen Familie
Repro: Ulrich Göpfert
Es weilte nämlich das englische Königspaar zu Besuch, Victoria Königin von England und Kaiserin von Indien, mit ihrem Gemahl, Prinz Albert, dem Coburger Geschlecht entstammend, mit allen verfügbaren Hofleuten und anderen Personen vom höheren umwohnenden Adel, auch Herzog Ernst und seine Gemahlin, die Initiatorin glänzten in farbigen Biedermeiergewändern.
Prinz Albert
Das Repro zeigt den Prinzen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha
(1819-1861). Gemalt von Franz Xaver Winterhalter im Jahr 1842.
Im Besitz der Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha´schen Familie
Repro: Ulrich Göpfert
Vicki lief zur Kaiserin, kniete vor ihr nieder und küßte ihr die Hand, es war ihre Patin, Prinz Albert, groß und schlank, küßte das Mädchen auf beide Wangen, auch das Herzogspaar küßte Vicki. Derweil stand Heiner verlegen, die Flöte in der Rechten, mit der Linken den Stock führend, neben der Eingangstür. Da entdeckte Vicki auch den Vater, ging zu ihm und küßte ihn, faßte ihn bei der Hand und führte ihn zu Heiner. "Schau, Papa, mein Musikfreund, ich hoffe, dass wir mit unserem Vortrag Deinem Geschmack entsprechen." Der blickte Heiner in die Augen, er, ein erfahrener Hofmann, und erkannte, an dem Jungen war kein Fehl und Tadel, reichte ihm stumm die Hand, der Heiner verbeugte sich tief. Der Kanzler wußte längst, wer dieser angehende Studiosus war, er schien gespannt auf den Vortrag der beiden, und sagte, sich abwendend nur toi, toi, toi.
Vicki führte den Heiner zum Bechsteinflügel, wo auch schon das Stehpult für den Flötisten stand, verbeugte sich und sagte einfach: "Wir spielen das Flötenkonzert von Mozart KV 279. Ich darf dazu bemerken, dass der Klavierpart von Professor Meyer extra für uns zwei gesetzt wurde. Ich bitte nur um einen Moment Geduld, denn ich muss mich auf diesen Flügel kurz einspielen!" Setzte sich und ließ einige Läufe auf und ab erklingen, blickte dann nickend zu Heiner, und die beiden gaben für eine halbe Stunde Mozart die Ehre.
Die beiden harmonisierten nicht nur zum Erstaunen der Zuhörer, ja sie ergänzten sich in ihrem Spiel so auffallend, dass man meinen konnte, sie spielten schon jahrelang miteinander, obgleich der Mozart alles andere als einfach zu interpretieren war. Heiner entlockte seiner Flöte noch nie von ihm selbst erlebte Töne von einer beeindruckenden Reinheit, so dass Vicki ihn einige Male bei Auslassung erstaunt anschaute, was den Leuten auch nicht entging. Diese Zuhörer gerieten immer mehr in den Bann des Spiels, und viele nickten einander anerkennend zu, besonders die Queen schien geradezu vereinnahmt von der Musik, sie hielt ihren Prinzgemahl wie einen Frischvermählten bei der Hand. Wer hätte damals gedacht, dass dieser so gut aussehende und gesund wirkende Prinz zwei Jahre später sterben würde und ihn die Queen noch vierzig Jahre überlebte.
Nach dem Ende des musikalischen Vortrags, der den beiden nicht nur Applaus bescherte, sondern auch sogleich Einladungen, sogar nach London, stand der Prinz auf, trat zuerst zu Vicki und küßte sie herzhaft: "Mein Gott, Kind, war das schön, ihr harmoniert ja wie ein altes Schwalbenpärchen." Darüber brachen die Anwesenden in ein fröhliches Gelächter aus. Dann zog Prinz Albert auch Heiner an sein Herz, griff in die rechte Hosentasche, holte einen kleinen roten Lederbeutel hervor und drückte ihm diesen in die Hand: "Hier, junger Künstler, ein Notgroschen, der Dich an mich erinnern soll und ein kleiner Hinweis, dass Ihr uns bald in Großbritannien besucht." Die Queen winkte Vicki zu sich, zog einen Ring von der Linken, einen mit einem leuchtenden Rubin: "Hier zum Andenken an eine schöne Stunde, bin recht stolz auf mein Patenkind, und schick` mir auch Deinen Flötenspieler her, damit ich mir ihn einmal aus der Nähe betrachte!" Vicki ging zu Heiner, der noch mit einem Herrn vom Hofe sprach, dem Hofkapellmeister, und der ihn sogleich ins herzogliche Hoforchester übernehmen wollte, was aber Heiner mit dem Hinweis ablehnte, er gehe im Herbst nach Leipzig zum Studium. Diese Unterhaltung unterbrach Vicki und zog ihn mit sich, er recht humpelnd, zur Königin. Die schaute durch ihr mit Diamanten besetztes Lorgnon (Stieleinglasbrille) den Heiner an und redete ihn auf Englisch an, wie zuvor Vicki. "Er hat ordentlich musiziert, dafür gebührt ihm mein herzlicher Dank. Doch sag` Er mir, was ist Ihm denn mit dem Bein widerfahren?" Da lächelte die Baroness: "Ich hab` mir einen Freund erfahren, ich bin die Schuldige, ich war unaufmerksam mit meinem Wagen!" "So", sage die Queen, "Du hast Dir einen Freund erfahren oder vielleicht umgefahren, wieder zeigt sich, wie sehr das Phänomen der Zufallsbegegnung zum Schicksal werden kann, natürlich zu einem musikalischen!" Sie lud ihn ebenfalls zu einem Besuch in London ein, was Vicki mit Begeisterung aufnahm, Heiner strahlend anschaute: "Hätte ich vor drei Tagen nie gedacht, dass einem ein Studiosus Glück bringen könnte." Ihr Blick bewies mehr als Freundschaft.
Nach der Musikdarbietung wurde noch zu einem kleinen Imbiß geladen, der auf einem Buffet angerichtet worden war, und zwei junge Mädchen servierten dazu einen Rödelseer trocken. Im Gespräch erfuhr sodann die Gesellschaft, warum der Flötist das Bein in Gips hatte, und da Hofleute voller Neugier steckend, von den gemeinsamen Übungen der beiden jungen Leute redeten, als einige etwas abwertend von dem Drexlerbuben aus Neustadt redeten, verlor sich sogleich das Interesse an Heiner, schließlich konnte ein jeder Flöte spielen lernen, wenn er dazu Zeit und Geduld aufbrächte, und man wandte sich wichtigeren Themen zu. Doch der Prinz schien einen Narren an den beiden gefressen zu haben, wie man im Volksmund zu sagen pflegt, und schlug der Herzogin vor, das Abschlußbankett vor der Abreise des Königspaares noch einmal durch ein kleines Konzert der beiden zu bereichern, was die Fürstin freudig versprach, und so fand Heiner, der Drexlerbub, Eingang in den herzoglichen Hofstaat.
Vicki war natürlich hellauf begeistert, und sie holte Heiner zu täglichen Übungen ab, auch besserte sich der Zustand des linken Beines, so dass nach einigen Wochen der Gips abgenommen werden konnte. Bald streiften die beiden auch allein durch die Gegend, besonders in der schönen Landschaft nördlich Schloss Rosenau. Zum Abschied am 12. Juli 1860 des englischen Königspaares spielten sie Mozarts zweites Flötenkonzert KV 313, das noch schwieriger war als das erste. Sie ernteten einen vollen Erfolg, denn es war noch zu den hohen englischen Gästen der König von Belgien, Leopold I. (1831 bis 1865), ebenfalls ein Coburg-Gothaer, eingetroffen, der sich mit dem Prinz Albert nicht nur gut verstand, sondern ihm herzlich zugetan war. Aus dieser Zeit stammt übrigens die enge Verbundenheit Englands mit Belgien, denn es war für die Engländer politisch seit Jahren ein Gesetz, dass die der Insel gegenüberliegende europäische Küste niemals in die Macht eines einzigen Staates geraten dürfe, deshalb z.B. Englands Todfeindschaft gegen Napoleon. Die beiden Cousins amüsierten sich bei dem Abschlußbankett königlich, was auch den beiden Musizierenden zugute kam, denn sie küßten und herzten Vicki so ausgiebig, dass die Gemahlinnen bald Einhalt geboten. Auch Heiner erntete einige Golddukaten als Zugabe zum Studium.
Der Sommer 1860 verging für die beiden wie im Fluge, denn sie konnten, ohne einander ergänzend, ihre Zeit gar nicht mehr erfüllen, wanderten miteinander durch das blühende und erntetragende Land, musizierten fast täglich miteinander und wurden dadurch auch einander fast unentbehrlich. Heiner erschloß sich so nicht nur den höflichen und freundschaftlichen Umgang mit einer jungen Frau, ohne gegenseitige Begehrungen oder gar Verführungen, denn beide wahrten den gebührenden Abstand, auch wenn sie sich gelegentlich küßten. Alles blieb in Ehren und ohne gegenseitige Bedrängnisse. Beide aber brannten in einer nie gekannten Gefühlswelt, die so erfüllt war vom Bemühen, dem anderen die Zuneigung zu beweisen, dass eine echte Gemeinsamkeit sich entfaltete. Heiner wurde natürlich des Öfteren vom Kanzler, Herrn Christoph von Falkenberg, empfangen, und der schien von dieser sich gegenseitig fördernden Freundschaft der beiden sichtlich angetan, obgleich er mehrmals dem Töchterlein zu vermitteln suchte, dass das sie Erwartende nicht die Verbindung mit einem standesgemäß nicht gleichwertigen Partner sein werde. Vicki schaute dabei den Vater oft unverständlich an, denn sie war ganz in diesem Leben befangen und wollte sich eine andere Richtung nicht vorstellen, zumal sie ja beide am Hofe erleben konnten, wie sehr man Treue und Ehre mißachtete, ja das Mädchen schon mehrmals Anträge in gewisse Richtung abwehren musste, was sie bei Heiner nie gewahr geworden. Der blieb der treue, hilfsbereite, ehrliche Junge, immer darauf bedacht, ihr zu nützen und "seiner" Baroness zu dienen, denn dieses äußerst begabte Mädchen förderte auch ihn in ihrer Art, während Heiner mit seinem Wissen und auch handwerklichen Können ihr so manches beizubringen vermochte. Das Paar war natürlich dauernder Beobachtung ausgesetzt, und nicht nur Bürgersleut`, auch der Hof hielt ein Auge auf sie gerichtet: Standesunterschied das beiderseitige Motiv.
Bald fühlten beide, dass der näher rückende Abschied sie in eine bedrückte Stimmung versetzte, ja, dass sie es gar nicht wahrhaben wollten, dass im September die Trennung kam. So genossen sie die anbrechenden Septembertage in vollen Zügen, bis dann der Abschiedsabend nahte, den Vicki mit Tränen einleitete und in Vorwürfen gegen Heiner sich verlor: "Ach", seufzte sie, ihm sich nähernd, und ihre Weiblichkeit ihm darstellte. "Du wirst mich bald vergessen haben, wenn Du in Leipzig den Damen der Gesellschaft begegnest und mich die Provinzpflanze vergleichst. Schwörst Du mir Treue?" Heiner ebenfalls erregt, sie bei der Rechten fassend: "Vicki, oh Vicki, ich schwöre Dir Treue bis zu meinem Tod, auch wenn Du mich einmal nicht mehr liebhaben "dürftest" das betone ich, weil ich weiß dass es eine Zukunft für uns nicht geben wird. Bitte, weine nicht, sonst gibt es ein heulendes Duett, was musikalisch nicht tragbar wäre. Da lachte Vicki herzlich, umarmte und küßte den Freund so herrlicher Tage und sagte ernst: "Heiner, das weiß ich, dass man uns nicht die Verbindung erlaubt, aber auch ich schwöre Dir Treue bis zum Tod, auch wenn sich mein sehnlichster Wunsch nicht erfüllt." Heiner löste sich behutsam aus der Umarmung, die ihn zum erstenmal die Wonne dieser Liebe offenbarte.
Sie hatten im Garten von Rosenau am unteren Brunnen gesessen. Er zog aus der Jackentasche ein Papierröllchen hervor, das mit einem blauen Band gebunden war und überreichte es ihr mit einer feierlichen Verbeugung: "Bitte, lies es, es ist nur für Dich, auch verspreche ich Dir, dass ich Dir jede Woche einen Brief schreiben werde, den Du so beantworten kannst, wie Du willst, ohne jede Verpflichtung." Sie sagte, dass er immer eine Antwort erhalten werde, es sei denn, sie könne nicht aus widrigen Gründen: "So laß mich Dein Abschiedsgeschenk lesen!" Sie entrollte das Papier und las folgendes kalligraphisch (in Schönschreibekunst) gestaltete Gedicht:
Draußen schweigt die Nacht,
Sternengruß, es wacht
der HERR allein.
Wir beide im Verein
und Hand in Hand.
Ein letzter Gruß,
ein letzter Kuß.
Sag` spürst Du den Hauch
und hörst Du das Wort,
mein Liebes Du auch
aus den Herzen immerfort.
Wie es klingt?
Hörst Du` s im Sternenglanz,
wie es zu Dir dringt:
Ich lieb` nur Dich!
Schon beim Lesen klopfte ihr Herz in stürmischen Schlägen, dann fiel sie ihm in die Arme und küßte ihn mit einer nie geahnten Hingabe. Die Baroness hatte ihr Herz verloren. Sie trennten sich und konnten die Hände nicht lösen, bis Heiner ihr sagte, dass es schon spät sei und sie klug sein solle.
Heiner fuhr nach Leipzig, vom Vater nach Coburg begleitet, fand sich schon am ersten Tag zurecht, indem er bei einer Beamtenwitwe durch die Vermittlung eines unbekannten Kommilitonen an sie verwiesen worden war, und die ihn bald umsorgte wie eine Henne ihr Küken. Das Stipendium deponierte er bei der Meyerschen Privatbank und vereinbarte eine monatliche Auszahlung, womit er auszukommen beabsichtigte und den Rest stehen ließ, so eine Verzinsung gewinnend. Das erlaubte ihm ein sorgenfreies und gesichertes Studentenleben, außerdem hatte er noch die Goldstücke des Prinzen Albert als eiserne Reserve. So warf er sich quasi ins Studium, besuchte einige Tage die Juristerei, die ihm nicht zusagte, entschied sich sodann für Philosophie und Philologie mit Latein und Englisch, wozu er später noch deutsche Literatur und Geschichte nahm, um sich als Lehrer für das Gymnasium zu qualifizieren. Schon nach zwei Semestern legte er das Examen in Latein mit der Note Eins ab, er konnte ja fließend lateinisch sprechen, was kaum ein anderer Student zuwege brachte. Nach dem vierten Semester gelang ihm auch in Englisch die Einserbewertung. Dazu kam noch ein besonderer Umstand.
Er bestand nämlich die Aufnahmeprüfung als Flötist in das Gewandhausorchester, das von J.A. Hiller 1781 gegründet worden war, wodurch er in den Semesterferien engagiert blieb, nur einmal nach dem vierten Semester nach Hause fuhr und mit dem Orchester viele Torneereisen in ganz Europa, ja einmal bis nach New York, unternahm: Die meisten Einladungen kamen von England, wo das Orchester oft wochenlang gastierte, und Heiner seine Sprachkenntnisse nicht nur vervollkommnen konnte, sondern bald als Dolmetscher tätig wurde. In London traf er auch einmal durch Zufall den Herzog Ernst inoffiziell dort weilend, der ihn zu einem Dinner mit hochgestellten Persönlichkeiten einlud und sich sehr darüber wunderte, dass Heiner das Englisch besser sprach als die anwesenden Damen und Herren.
Die Briefe an Vicki gewannen dadurch ein weltmännisches Flair, denn was konnte der Drexlerbub alles erzählen und was für Persönlichkeiten der Leserin plastisch schildern, so dass die gesammelten Briefe des Heiner bald eine Art Zeitgemälde darstellten und Vicki in dauernder Spannung und Sehnsucht nach dem Freund fesselten. Das bewies sich in den Semesterurlaub nach dem vierten, denn in diesen vier Wochen waren sie unzertrennlich, was vor allem dem Vater, dem Kanzler mißfiel, und er beschloß, seine Tochter aus dieser Bindung zu lösen.
Nach sechs Semestern schloß Heiner Deutsche Literatur und Geschichte ab und erhielt die Lehrbefähigung für Latein, Englisch und die beiden anderen Fächer. Er entschloß sich danach, noch nicht in den Dienst eines höheren Lehrers zu treten, sondern seinen Doktor anzugehen. Dazu wählte er sich ein Thema aus der Philosophie, nämlich Platon, und warf sich sogleich noch auf das Erlernen des klassischen Griechisch, wozu er sich zwei Semester Zeit gönnte und am Ende auch die Lehrbefähigung für Griechisch errang. Er verfügte über ein ausgezeichnetes Gedächtnis, was er einmal gelesen oder auch nur bewußt gehört, das vergaß er nicht mehr. Sein Thema für das Doktorat lautete: "Die Dialektik des Sokrates als Denkgrundlage in Platons Werk". Er fand dies in dem Weg der innersten Liebe als Stille und Vereinigung, woraus sich die Erfüllung der ewigen Idee herleitet, was die Grundlegung des Idealismus bedeutet, diese entsteht dialektisch aus dem vergänglich Sinnlichen und tritt so den unvergänglichen Ideen gegenüber, diese Lösung beweist sich endlich in philosophischen Streben.
Mit solchen überdimensionalen Gedankengebäuden, die sich bis ins einzelne abfächerten, füllte er auch seine Briefe an Vicki aus, die ihn natürlich nicht mehr verstand oder gar folgen konnte, was aber dem Heiner nicht so auffiel, obgleich sie in ihren Antwortbriefen - übrigens ist der gesamte Briefwechsel erhalten und veröffentlicht, nur hat der Autor dieser Erzählung die Namen und Daten verändert - nicht ein einziges Mal auf seine philosophischen Interpretationen einging, sondern nur belanglose Ereignisse aus der Heimat berichtete. Er jubelte zuinnerst über jede Zeile aus ihrer Hand, und diese bedeuteten ihm stets als ein Unterpfand ihrer Liebe. Zum Weihnachtsfest 1864 sandte er ihr nicht nur die Meldung, dass seine Doktorarbeit der Vollendung entgegengehe und dass er hoffte, zu Ostern sich ihr als Doktorus philosophiae vorstellen zu dürfen. Er sandte ihr dazu ein herzförmiges Medaillon, worein er ein Gedicht auf dünnem Papier einlegte:
voller Lichterglanz und Duft
schlafen Waldwiese und Weiher
in kristallner Winterluft.
Es lauscht das Tier in stillem Frieden
der Vogel blinzelt in den Schnee,
wie liegt die Welt so abgeschieden
in ihrer Lust, in ihrem Weh.
Der wilden Nächte "Stirb und Werden"
erschrecket uns in Einsamkeit,
doch "Friede allen" tönt` s zur Erden
den Menschen all` zur Weihnachtszeit.
In dem beigefügten Brief bat er Vicki, sie solle ihm ihre Gedanken über die Dialektik des "Stirb und Werden" mitteilen, denn hier sei die idealistische Dialektik am reinsten von dem großen Dichter Johann Wolfgang von Goethe ausgedrückt worden. Auf diesen Brief mit dieser Forderung aber antwortete Vicki nicht.
War sie damit überfordert oder durch etwas abgelenkt? Heiner warte vergeblich. Er schrieb brav jede Woche, aber von ihr kein Sterbenswort. Er vollendete seine Doktorarbeit und meldete sich zum Rigorosum (mündliche Doktorprüfung) an und verlor sich in immer wirrere Träume. Hatte er doch sein Leben auf diese eine Erfüllung gerichtet, für sie nur gestrebt und gelebt, das Studium in einer unvorstellbaren Zeit absolviert und stand vor dem Doktorat. Er jagte Brief um Brief nach Coburg, keine Antwort, nichts.
Am 25. März erhielt er die Promotion mit dem Prädikat "Summa cum laude". Da hielt ihn nichts mehr in Leipzig, er meldete sich nicht mehr vom Gewandhausorchester ab, sondern fuhr von Unruhe geplagt nach Coburg. Die Examina in der Aktentasche und die Promotionsurkunde dazu, eilte er sogleich zum Falkensteinischen Palais. Der Butler empfing ihn mit kühlem Blick, der sonst die Freundlichkeit in Person, und wies ihn in die Bibliothek, er solle hier warten, er wolle fragen, ob das gnädige Fräulein heute empfange. Heiner sagte: "Ja kennen Sie mich nicht mehr?" Der Butler schaute durch ihn hindurch, als wäre er nicht da, und ging. Er kehrte nach kurzer Zeit zurück, er solle noch warten, das Fräulein habe Besuch. Da stand er wie ein Schuljunge, die Tasche an die Brust gedrückt, sein Herz schlug hart in der Brust.
Plötzlich vernahm er eine sonore Stimme, er wandte sich um, der Kanzler, groß, schlank, graumelierte Schläfen, Goldbrille, dunkle, harte Augen, ihn musternd wie einen Fremden: "Bitte, Platz zu nehmen, Herr, wie war doch der Name?" Heinrich Dengler, Dr. Dengler. Der Herr nickte und meinte: "Ach ja, Vickis Musikfreund aus Jugendtagen, nicht wahr?" Er setzte fort: "So, Doktorhut, das ehrt ihn, schon Lehraspirant? Welche Disziplinen wird er lehren?" Heiner unruhig bis zum Schweißausbruch: "Ich werde Griechisch, Latein, Englisch, deutsche Literatur und Geschichte lehren, und ich hoffe, hier in der Heimat, an unserem Gymnasium." Der Herr von Falkenberg, ihn distanziert musternd: "Nun, vielleicht versteht Er mich, warum ich Ihn vor meiner Tochter sprechen muß, Er hat meiner Tochter Vicki oft geschrieben, und ich nehme auch an, sich Hoffnungen gemacht, ihr näher verbunden zu werden. Aber sieht Er nicht ein, dass ein Aspirant und eine Baroness von Falkenberg nicht zusammengehören? Wie will Er mit dem Lehrergehalt, der am Anfang nicht gerade hoch dotiert ist, wie will Er da mit einer Baroness standesgemäß leben? Viktoria ist verwöhnt und auch gewohnt, dass man ihre Wünsche erfüllt. Ihr seid zweifelsohne ein ehrenwerter und erfolgreicher junger Mann, doch eine Verbindung zwischen einem Lehrer und einer Frau von Adel geht schon wegen der gesellschaftlichen Konvention nicht, sie entspricht auch nicht den Vorstellungen des Hofes. Baroness Viktoria ist immerhin das Patenkind der Königin und Kaiserin von England."
Heiner hockte betroffen auf seinem Sessel und starrte den vom Adel bestürzt an: "Herr von Falkenberg, ich bitte nur darum, der Baroness meine Urkunden zu zeigen, wie ich es vor fünf Jahren ihr versprochen habe." Der Kanzler: "Ich bitte Sie, junger Mann, davon abzusehen, denn meine Tochter ist daran nicht im geringsten interessiert." Heiner aufstehend und sich ermahnend: "Das kann sie mir doch selbst sagen, verweigern Sie mir eine Begegnung mit meiner langjährigen Freundin?" Er hart: "Ja, ich verweigere, was bedeutet das schon, Lehrer auf einer Schule, auch mit Doktorat, womöglich nur in Philosophie, junger Lehrer, Er ist ein Nichts!" Da packte Heiner der Zorn vor so viel Überheblichkeit und der offensichtlich brüskierenden Beleidigung: "Herr von Falkenberg, Sie sind in ihrem Urteil ungerecht und unüberlegt. Es sind die Lehrer vor allem, welche die Bildung der kommenden Generation bewirken, die geistige Entwicklung unseres Vaterlandes in den Händen halten, es ist nicht der Adel, der solches vollbringt. Wir Lehrer legen die Grundlagen für Wissen, Kultur und Technik, wir überliefern das geistige Erbe unseres Volkes und dessen überkommenen Erfahrungsschatz, worauf Sie als der Kanzler erst Ihr Wirken stützen können, wir Lehrer unterrichten die zukünftigen Träger des kleinen Herzogtums, wovon der Adel lebt"!
Sie standen sich gegenüber, der Aristokrat, der Vertreter einer zum Untergang geweihten Gesellschaftsschicht, und der Lehrer, Wegbereiter für eine neue Zeit, die bürgerliche, deren Träger Technik, Geist und Kunstfertigkeit mit Wagemut, Gemeinsinn und Unternehmerlust sich verbanden. Noch war die Stunde nicht reif, noch bestimmten die alten Mächte, die um Erhalt dieser ihrer Macht, um Einfluß und ererbten Besitz kämpfen wollten, damit ihre Existenz zu beweisen, dass sie unersetzlich. Doch seit 1848 dämmerte eine neue Epoche am Horizont unseres Vaterlandes.
In Heiner hämmerte das Wort "Er ist ein Nichts" wie mit Kolbenschlägen in seinem Kopf. Er stand noch immer im Zimmer, obwohl längst allein gelassen. Da hörte er am Tor eine Kutsche vorfahren, trat ans Fenster und beobachtete, wie der "Besucher", ein modisch gekleideter, nicht mehr ganz junger Mann den Zylinder vor Viktoria lüftete und sich über die dargereichte Hand beugte, dem Kutscher mit dem Stock zur Abfahrt winkte und sich entfernte. Das also war der Grund für seine Abweisung. Ein Hüsteln weckte ihn aus seinen Gedanken, der Butler stand in der Tür, so, als wolle er ihn hinausbegleiten. Heiner fragte noch einmal, ob jetzt das Fräulein empfange, der Diener antwortete ziemlich patzig: "Das gnädige Fräulein hat eben befohlen, kein Besuch mehr heute, sie muss zu einem Empfang bei Hofe. Ich darf Sie doch hinausbegleiten, mein Herr?"
Der enttäuschte Heiner fasste seine Aktentasche fester, drückte die geballte Faust darum und ging langsam zum Tor hinaus, von tobenden Gedanken erfüllt. Raffte sich dann zusammen und eilte zu Fuß nach Neustadt zu den Eltern, die ihn wirklich liebten. Die Mutter erkannte sofort, was ihren Sohn bewegte, schloss ihn in die Arme: "Hör` Bub, ich weiß, was Dich bedrückt. Ich wollte es Dir schreiben, unterließ es aber, weil Du doch im letzten Examen standest: Deine große Liebe hat sich nicht bewährt, war wohl umsonst all Dein Streben, auch Dein Glaube und Deine Hoffnung für die Baroness, wohl umsonst. Sie ist seit Weihnachten verlobt mit Joachim Graf Vitzhum und Eckstätt, und sie wird ihn am Ostersonntag heiraten. Find` Dich damit ab, Du weißt doch, der Standesunterschied, bitte, Bub, sei nicht traurig!"
Er weinte still vor sich hin: "Ach, Mutter, ich weiß das alles, aber Viktoria ist anders, hat keinen Adelsdünkel, ja, Mutter, sie hat mir Treue geschworen bis zum Tod wie auch ich." Die Mutter streichelte ihm übers Haar: "Bleib` Dir selbst treu, und erfüll` Dein Leben mit den Gaben, die Dir unser Herrgott geschenkt hat. Du hast uns nur Ehre und Segen gebracht, und wir sind stolz auf Dich." Heiner noch immer in Tränen: "Mutter, es tut so furchtbar weh." Sie nickte: "Ja, Bub, nichts schmerzt mehr als verratene Liebe!"
Tags darauf lief er wieder nach Coburg und bewarb sich beim herzoglichen Schulamt um eine Anstellung am Gymnasium, er hatte Glück, denn die Stelle eines Altphilologen war frei geworden, und als man seine Examensnoten einsah, da erhielt er sogleich die Anstellung als Assessor auf Probe und konnte am 3. September 1865 anfangen. Damit war er eine persönliche Sorge los, denn er wollte in der Heimat bleiben.
Das Osterfest rückte näher und damit auch Viktorias Hochzeit, das geliebte Mädchen verlor er somit endgültig. Da hatte er den Einfall, ihr ein besonderes Hochzeitsgeschenk zu bringen. Er kannte den Kantor und bat ihn, dass er ihn an der Orgel mit der Flöte begleiten möchte, und zwar mit dem Hochzeitschor aus Richard Wagners "Lohengrin", die Oper war 1850 in Weimar aufgeführt worden, und Heiner hatte sie in Leipzig erlebt.
Die Hochzeit der Baroness mit dem Grafen war das Stadtereignis, und die Bevölkerung nahm daran geschlossen Anteil, denn Viktorias Patin, die Queen, hatte ihre Teilnahme angekündigt. In einer weißen Kutsche von vier Schimmeln gezogen, fuhr das Brautpaar vor, der Hof und die Queen voraus. Die Braut in Weiß mit Schleier und Schleppe von vier Pagen gehalten, der Graf, etwas kleiner als sie, in Uniform eines Rittmeisters, hochmütig, mit monokelverzogenen Mund und mokantem Lächeln führte sie per Arm vor den Altar. Als der Dekan den Ringtausch verkündete, ertönte vom Chor herab leise, aber ins Herz gehend, das Flötenspiel mit Orgelbegleitung "Treulich geführt...Da sank mit einem Seufzer die Braut langsam in sich zusammen und fiel in Ohnmacht. Sogleich bemühten sie einige Herren und Damen der vorderen Reihe um Viktoria, Riechfläschen und Fächerwind aber vermochten nicht zu helfen. Sie wurde auf einer Bahre hinausgetragen, während der ahnungslose Heiner noch Flöte blies.
Quellenhinweis: Franz Xaver Fischer