war zu wichtigen Staatsgeschäften in Coburg
Bei dieser Gelegenheit besuchte er u. a. die ehemalige Märbelmühle nahe Oeslau
Das Ölgemälde von Joseph Stieler (1828) zeigt
Johann Wolfgang von Goethe im 79. Lebensjahr
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Am Abend des 13. Mai 1782 ritt ein stattlicher Mann im goldverbrämten Reitkleid durch das Heiligkreuztor in die Stadt Coburg ein. Es war der Geheime Rath Goethe aus Weimar. Im Gasthof zum Schwan stieg er ab. Wichtige Staatsgeschäfte waren der Anlass zu einer Reise durch die Residenzstädte der Thüringischen Staaten; Gotha, Meiningen, Hildburghausen und Coburg. Es galt ein Übereinkommen zu treffen über die Besetzung von Lehrstühlen der Universität Jena, damals Fürstlich-Sächsische Gesamtakademie, mit Professoren von Ruf und modernem Geist.
Goethe als Minister des einflussreichsten Staates Weimar sollte die Verhandlungen führen, um der Universität neuen Auftrieb zu geben, denn die Zahl der Studenten war stark zurückgegangen. Die Besprechungen an den Fürstenhöfen hatten ein gutes Ergebnis, zumal der Geheime Rath nicht nur ein vorzüglicher Kenner der Sache, ein vorwärtsschreitender Geist, sondern auch ein galanter Gesellschafter war, dem die Herzen überall rasch zuflogen.
Das Repro zeigt Johann Wolfgang von Goethe auf einem
Porträt von Johann Heinrich Lipps aus dem Jahre 1791
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Goethe war aber auch ein leidenschaftlicher Naturforscher. Nichts entging seinem scharfen Blick. Besonders die geologischen Erscheinungen des Landes fanden sein Interesse. Die Vielgestaltigkeit der Erden und Gesteine, der Aufbau der Gebirge, und die Verwertung der Mineralien fesselten seine Aufmerksamkeit. Galt es doch auch nutzbare Erze zu finden und den Bewohnern durch Abbau und Verwertung Arbeit und Brot zu geben. Er legte sich eine mineralogische Sammlung an, die er bei jeder Reise ergänzte, und schließlich so vervollständigte, dass zum Schluss seiner Bemühungen ein Kabinett mit 37 000 Stück zusammenkam.
Kaum sind die Verhandlungen mit dem Coburger Ministerium beendet, drängt es ihn in die Natur. Sicherlich ist der Staatsminister Moritz August von Thümmel sein Begleiter gewesen, ein Mann von ausgezeichneten Talenten. Von Thümmel hat sich durch seine "Wilhelmine" bereits ein literarisches Ansehen erworben und wie Goethe naturwissenschaftliche Interessen. Sie besuchten zusammen, wie könnte es auch anders sein, die stolze Veste Coburg.
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Goethes Brief aus Coburg an Freifrau von Stein vom Nachmittag des 14. Mai 1782:
"Die Aussicht von der Festung ist sehr schön und ich habe einen angenehmen Morgen gehabt, es wird mit Gewalt grün, und des armen Menschen Freude, wenn wieder einmal etwas jung wird, ist gar groß, weil er doch selbst immer altert. Heute fahren wir noch auf eine Märbelmühle über Thümmel, was das sei, erfährst du weitläufig wenn ich komme. Adieu, ich muß schließen. Morgen früh gehe ich von hier weg."
"Der Berg, worauf die Coburger Festung steht, ist Sand und zwar ragen oben kleine, sehr grobkörnige Felsen heraus, welche Äußerst hart sind, wie alle Felsen dieser Art an der Luft hart werden. Alles Erdreich, was man von oben herunter sieht, ist rötlich und zeigt den Ton an, der an den höheren Stellen mit Sand gemischt ist. So ist es auch von Coburg gegen Sonneberg zu".
Es ist wohl selbstverständlich, dass von Thümmel ihm bei dieser Gelegenheit erzählt hat, dass noch andere Gesteine in diesem Lande zu finden sind. Er selbst verarbeite in einer Marmormühle nahe bei Oeslau eine Art Marmor oder Kalkstein zu runden Schussern. Damit hat er sofort das Interesse von Goethe geweckt. Diese Marmormühle muss er sehen.
Am selben Nachmittag fährt er mit Thümmel in der Staatskalesche (vierrädrige Kutsche) den Hahnweg hinaus, über Cortendorf und Dörfles nach Oeslau. Das Schlösschen in der Rosenau wird kaum eines Blickes gewürdigt, auch nicht das stolze Kammergut des Herzogs, vor dessen weit auslaufenden Scheunen und Stallungen der Weg nach rechts zur Mühle abbiegt.
Die ehemalige Marmormühle unterhalb von Oeslau 1838,
Sepia-Zeichnung von Karl Koch
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Das Wasser der Röden rauscht über die knarrenden Schaufelräder und wird übertönt von dem Krachen der Mahlsteine, die drinnen in der Mühle die kubischen (würfelförmigen) Kalksteinchen zu Schussern runden. Keine Einzelheit des Werkes lässt Goethe unbeachtet, das Ineinander wirken von Mühlrad, Welle, Zahnrad, Stock und drehenden Mahlstein fesselt seine Aufmerksamkeit. Spielend lässt er die Kügelchen durch seine Finger gleiten. Aufmerksam lauscht er den Worten Thümmels über Beschaffenheit der Steine und den Absatz der gefertigten Märbeln - wohl auch seiner Bemühungen, dem armen Landvolk zusätzliche Arbeit und Verdienst zu schaffen.
Im "Musterzimmer" stehen die Kästen mit Märbeln von unterschiedlicher Größe und auf einem Wandbrett auch einige Proben "versteinertes Holz“, das vordem in diesem Haus zu allerlei Galanteriewaren (Schmuck- und Kurzwaren) verarbeitet wurde. Sechs Stück läßt er sich schenken für seine Sammlung. Dazu ein Stück Kalktuff (Kalkgestein), das aus einem Bruch bei Weißenbrunn vorm Wald stammt.
Dann treten die beiden Herren Geheimen Räthe hinaus zu den Anlagen, die Herr von Thümmel um seine Mühle hat errichten lassen. Weiden und Pappeln umsäumen das Haus nach der Wiesenseite und finden Anschluss an das Ufergebüsch des Baches. Hinter der Mühle steigt der Hang des Höhn steil nach oben, durch dessen Waldwuchs zierliche Wege führen. Da und dort sind die Jungbuchen zu künstlichen Laubgängen gezogen, stehen Bänke zum Ruhen.
Auf halber Höhe des Hanges bietet eine Lichtung freie Sicht über die Wiesen zur Rosenau und dahinter zur Ruine der Ludwigsburg (Lauterburg) und den Wäldern links und rechts des Froschgrundes. Behaglich lassen beide sich nieder und genießen die Ruhe und natürliche Schönheit der Landschaft.
Diese Sepia-Zeichnung eines unbekannten Künstlers zeigt einen Blick
auf Oeslau um 1700. Links unten ist die ehemalige Marmormühle zu sehen.
Oben links ist die Ludwigsburg (Lauterburg) zu erkennen.
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Es war sicher schon später Nachmittag geworden, als Goethe und Thümmel wieder der Stadt Coburg zufuhren. Die beiden Rappen aus dem herzoglichen Marstall legten eine schärfere Gangart vor, als der Geleitsweg erreicht und die futterverheißende Krippe näher kam. Leider verrät uns keine Niederschrift, ob Goethe an diesem Abend Gast seines Ministerkollegen Thümmel gewesen ist, doch ist wohl anzunehmen, dass sich beide in den wohlgepflegten Räumen des Thümmelschen Hauses über literarische und naturwissenschaftliche Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt aussprachen, zumal Thümmel eine umfangreiche und kostbare Bibliothek sein Eigen nannte. Am nächsten Tag ritt Goethe über Sonneberg nach Weimar zurück. Auf diesem Wegstück trieb er nur geologische Studien.
Quellenhinweis: Andreas Stubenrauch