Die Jahrhunderte alte Gerichtslinde von Unterlauter

Das Zentgericht Unterlauter
Im Jahr 850 tagte es das erste Mal

Ein Gericht für zivile Streitigkeiten, es wurden aber auch Urteile in Mordfällen gesprochen, die zumeist ein Todesurteil mit anschließender Hinrichtung nach sich zogen.

Das früher auch Lauter und Marktlauter genannte Dorf Unterlauter nördlich von Coburg ist eine der ältesten Siedlungen des Coburger Landes, nach dem Lauter-Bach genannt und an die Lauter dort gebaut, wo sie ihr enges vom Thüringer Wald kommendes Tal verlässt und zwei Altstraßen sich kreuzen: eine ost-westliche von Fechheim nach Großwalbur und eine wichtigere von Norden nach Süden: Thüringer Wald - Coburg - Bamberg.

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Die Jahrhunderte alte Gerichtslinde von Unterlauter
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Unterlauter war bis zum Jahr 1821 Sitz eines als uralt geltenden Centgerichtes, das 1340 42 Dörfer umfasste. Das hohe Alter der Siedlung ist auch heute noch gut zu erkennen. Das Dorf ist um ein Straßenkreuz angelegt. Hier war nach örtlicher Überlieferung der Platz des Centgerichts, bei einer wohlerhaltenen geschnittenen und ihrem Stammumfang nach viele Jahrhunderte alte Linde, die durchaus ungewöhnlich auf einen kleinen Hügel inmitten eines deutlich ausgesparten Platzes steht. An der Straßenkreuzung stand weiter das ebenfalls sehr alte Wirtshaus, das früher Anspann für die zum Thüringer Wald gehenden Fuhren war, weiter war hier die Dorfschmiede und, aus dem 18. Jahrhundert, das alte Feuerwehrhaus einer ganzen Reihe von Gemeinden, deren Vorort im Löschwesen Unterlauter war.

Nahe bei der Kreuzung steht die Kirche, jetzt ein Neubau des 18. Jahrhunderts, ehemals umgeben von einem aufgelassenen Friedhof und dem Pfarrhaus, das bis zum Beschuss 1945 Wirtschaftsgebäude nach alter Art hatte. Kirche, Pfarr- und ehemaliger Friedhof sind jetzt noch von einer ziemlich hohen Mauer umgeben und durch zwei Tore zugänglich. Es ist der Rest einer echten Befestigung, aus deren Steine die alte Schule gebaut wurde. Unmittelbar an den ehem. Friedhof stößt der "Edelhof", dessen Haupthaus (mit einem Wappenstein von 1570) so gebaut ist, dass eine Rückwand im Zuge der ehem. Friedhofsmauer sitzt. Nach örtlicher und den Umständen nach nicht zu bezweifelnder Überlieferung war hier der Sitz der adeligen Familie von Lauter, also der alte Königshof.

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Die Trinitatiskirche von Unterlauter
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert

Unterlauter war eine der Urpfarreien im Coburger Land, außerdem früher Sitz des Centgerichts, das im Jahr 850 zum ersten Mal tagte. Es war das Gericht über Leib und Leben und fand gewöhnlich viermal im Jahr statt, immer zu einer ganz bestimmten Zeit. Es konnte aber auch jederzeit zusammengerufen werden, was der Gerichtsknecht durch Ausrufen besorgte. Wenn es um zivile Streitigkeiten ging, hieß es bürgerliches Gericht, und nannte man es peinliches Hals- oder Blutgericht, dann ging es um Blut und Leben. Dann war auch das Interesse der Bevölkerung besonders groß. Nicht nur aus Unterlauter kamen dann die Neugierigen, sondern aus allen zur Cent gehörigen Dörfer.

Der Centgraf, der über blutige Verletzungen zu richten hatte, kam in seiner Amtstracht oder in Harnisch, Rock, Halskragen, Handschuh, Pickelhaube und Schwert. Als Zeichen seiner Würde trug er den langen Gerichtsstab. Bei der Gerichtssitzung amtierte er als Übergeordneter der Schöffen, ohne die Urteilsfindung beeinflussen zu können. Er nahm die Eide ab, ließ die Schöffen das Urteil finden und nahm die Schau der Ermordeten vor. Schöffen durften immer nur unverleumdete, ehelich geborene, geschickte ehrbare und fromme Männer sein. Ihre Auswahl geschah nach Vorschlag des Gerichts, der Dörfer, des Centgrafen oder nach Rechten, die auf bestimmten Höfen hafteten. Das Amt des Schöffen wurde als eine drückende Last empfunden, denn es war nicht einfach, bei verwandtschaftlich nahestehenden Personen das Todesurteil zu befürworten, wenn es das Gesetz vorschrieb.

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Das alte Schulhaus von Unterlauter
Archiv © Ulrich Göpfert

Eine sehr wichtige Person war auch der Gerichtsknecht, der das Gericht an verschiedenen, genau bestimmten Orten des Centbezirks ansagen musste und die Schöffen, die Kläger und die Beklagten einzuladen hatte. Auch die Buße musste er eintreiben, die Übeltäter festnehmen und den Scharfrichter unterstützen. Er hatte auch bei der peinlichen Befragung dabei zu sein, eine von Karl V. angeordnete Folter in verschiedenen Abstufungen, bis das Geständnis erreicht war. Der Gerichtsknecht war immer ein sehr kräftiger und robuster Mann. Nicht weniger wichtig war der Gerichtsschreiber, dessen Amt der Schulmeister von Unterlauter ausführte. Nur wenn er verhindert war, wurde ein Lehrer aus einem anderen Ort herangezogen.

Ablauf einer Centgerichtssitzung
Die Kirchenglocken von Unterlauter läuten zur feierlichen Eröffnung, und auf dem Gerichtstisch liegen Centstab, das Gerichtsbuch und das Leibzeichen (eine Hand) des Ermordeten. Um die Schranken sammeln sich die Wachmannschaften aus allen zur Cent gehörenden Ortschaften. Mit ernster Miene erscheinen der Centgraf, der Schreiber und die Schöffen mit ihren Spießen. Der Centgraf, den weißen Gerichtsstab in der Hand, fragt den Gerichtsknecht, ob das Gericht nach Herkommen verkündet ist, dann wendet er sich an einen Schöffen, ob das Gericht auch ordnungsgemäß besetzt wäre, wie sich` s gebührt, einen zweiten, ob die richtige Tageszeit sei, und einen dritten, in wessen Namen das Gericht hege.

Das spricht der Centgraf die feierliche Hegung: "So hege ich dies Centgericht von wegen des Hochwürdigen Fürsten, etc., etc., und von wegen der Schöffen, die allhier auf ihren Stühlen sitzen. Ich hege es auch von aller wegen, die an meines gnädigen Fürsten Centgericht kommen und daran Recht geben und nehmen wollen. Ich gebiete den Schöffen, dass keiner aufsteht ohne Erlaubnis. Auch verbiete ich allen, was im Recht zu verbieten, und erlaube alles, was im Recht zu erlauben ist. Ich gebe allen, die hierher zu Gericht kommen, Fried und Geleit außer meines gnädigen Fürsten und Herrn abgesagten Feinden; auch die im Urteil und Bann sind, haben kein Geleit."

Darauf folgten Rüge, Aufruf, Klageerhebung, Verteidigung, Beratung der Schöffen und dann der feierliche Augenblick der Urteilsverkündung, den man mit gespannter Erwartung herbeisehnte. Der Beklagte, weil er wissen will, ob er sein Leben behalten darf, und die Zuschauer, weil sie erfahren wollen, ob es eine Hinrichtung zu sehen gibt.

 Quellenhinweise: Dr. Richard Teufel, Harry Ehrlicher

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