Spurensuche

Spurensuche
"Dunkelgraf und "Dunkelgräfin" von Hildburghausen
Ein europäisches Geheimnis

Eine Fotoreportage von Ulrich Göpfert

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Stadt Hildburghausen – Marktplatz

2013 © Ulrich Göpfert

Über zwei Jahrhunderte sind vergangen, seit sich ein geheimnisvolles Menschenpaar, der "Dunkelgraf" und die "Dunkelgräfin", wie sie im Volksmund genannt werden, in der Stadt Hildburghausen und im benachbarten Eishausen aufhielt. Und noch immer lässt die mysteriöse Geschichte die Gemüter nicht zur Ruhe kommen.

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Ehemaliger „Englischer Hof“ in Hildburghausen

2013 © Ulrich Göpfert

Vor 4 Jahren am 7. Februar 2007 war es genau 200 Jahre her, dass eine der geheimnisvollsten Episoden in der Geschichte der Stadt Hildburghausen begann. An jenem Wintertag nämlich fuhr des Nachts eine Kutsche durch eines der Stadttore ein, ohne kontrolliert zu werden. Am Gasthaus "Englischer Hof" auf dem Markt entstieg ein vornehmes Paar und bezog Quartier. Von nun an fiel das elegante, aber dennoch seltsame Paar vor allem dadurch auf, dass es betont zurückgezogen lebte und die Dame stets nur verschleiert zu sehen war.

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Dieses Modell des ehemaligen Schlosses steht in den Sommermonaten
vor der Kirche in Eishausen

2013 © Ulrich Göpfert

1810 zogen der Dunkelgraf und die Dunkelgräfin, wie sie deswegen genannt wurden, ins Schloss des benachbarten Dörfchens Eishausen um.

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Hier war der Standort des ehemaligen Schlosses Eishausen

2013 © Ulrich Göpfert

Auch dem „Dunkelgrafen“ mochte in der Einsamkeit die Zeit lang geworden sein, denn er begann mit dem Eishäuser Pfarrer Kühner eine rege Korrespondenz über Politik, Geschichte, Literatur und Kunst, die viele Jahre, bis zum Tode des Pfarrers währte.

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Das ehemalige Pfarrhaus Eishausen, hier lebte der Pfarrer Heinrich Kühner
mit dem der „Dunkelgraf“ rege Korrespondenz führte

2013 © Ulrich Göpfert

Manchmal mussten die Briefe mehrmals täglich von der Botenfrau hin und her getragen werden. Aber zeitlebens wechselten die beiden Männer kein Wort miteinander, und auch die Briefe wurden dem "Dunkelgrafen" vom Pfarrer sofort wieder zurückgegeben. Auch erwarb sich der „Dunkelgraf“ als Wohltäter für Arme großes Ansehen. Das Leben der „Dunkelgräfin“ beschränkte auf wenige Spaziergänge im Garten des Schlosses - von den übrigen Geschehnissen wurde sie weitgehend ferngehalten. Vielleicht aber wollte sich auch nichts darüber wissen. Die rätselhafte Dame hatte durch die jahrzehntelange Isolation von der Außenwelt möglicherweise seelischen Schaden genommen. Schon in Hildburghausen wurde nächtelang ihr hysterisches Weinen vernommen, und in Eishausen schien sie vollends um den Verstand gekommen zu sein, denn sie soll mit Hunden und Katzen, die das Schloss bevölkerten, gespielt haben, wie ein kleines Mädchen.

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Blick auf die Ortschaft Eishausen

2013 © Ulrich Göpfert

Nachts hatte sie vermutlich unter Angstzuständen zu leiden, denn der „Dunkelgraf“ sorgte dafür, dass jegliches störendes Geräusch von ihr ferngehalten wurde. Auf sein Betreiben hin wurde der Eishäuser Dorfjugend sogar das Neujahrsschießen verboten.

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Ein Blick vom Stadtberg auf die Stadt Hildburghausen

2013 © Ulrich Göpfert

Ihre wenigen Ausfahrten über die Dorfgrenzen hinaus führte die Dunkelgräfin dann zumeist an den Stadtberg. Dieser Platz mit der schönen Aussicht auf die Stadt wuchs ihr so ans Herz, dass sie nach ihrem Tod im November 1837 dort auch begraben werden wollte - in einem einfachen Steingrab ohne Inschrift.

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Das Grab der „Dunkelgräfin“ auf dem Stadtberg
in Hildburghausen
2013 © Ulrich Göpfert

Und so steht das Grab auch heute noch, fast unscheinbar am Wegesrand mitten im Wald. Das Grab befindet sich auf dem Stadtberg, zu erreichen über Marienstraße - Coburger Straße, dann Ausschilderung folgen; weitere Informationen im Stadtmuseum Hildburghausen.

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Friedhof Eishausen

2013 © Ulrich Göpfert

Der Dunkelgraf starb 1845 und wurde auf dem Friedhof in Eishausen unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.

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Das Grab des „Dunkelgrafen“ auf dem Friedhof in Eishausen

2013 © Ulrich Göpfert

Dichtung und Wahrheit
Erst nach dem Tod des Dunkelgrafen aber begannen sowohl seriöse Forschung, aber auch wilde Spekulationen über die wahre Identität des Paares.

Dunkelgräfin und Dunkelgraf
Der Dunkelgraf war ein Holländischer Diplomat namens Leonardus Cornelius van der Valck, der sich vermutlich schon seit 1799 um das Wohl der ihm anvertrauten Dame kümmerte. Bei der Dunkelgräfin selbst gilt inzwischen als erwiesen, dass es sich hier um Prinzessin Marie Therese Charlotte von Frankreich handelte, die Tochter von König Ludwig XVI. und Marie Antoinette, die während der französischen Revolution hingerichtet wurden.

Zahlreiche Literatur beschäftigt sich mit dem Schicksal des Paares - teils historisch belegt, teils als Romanstoff aufgearbeitet und entsprechend eher mit viel Phantasie statt Fakten ausgeschmückt. Klar ist aber auch, dass wenn es sich bei der Dunkelgräfin tatsächlich um die so genannte "Madame Royale" gehandelt hat, sie unter dem Schutz einflussreicher europäischer Herrscherhäuser gestanden haben muss, sonst hätte sie nicht 30 Jahre lang in dem kleinen Herzogtum Sachsen-Hildburghausen, ab 1826 Sachsen-Meiningen, so unbehelligt leben können.

Im Jahr 2007 stand die Stadt Hildburghausen ganz im Zeichen der "Dunkelgräfin": Mit einer Sonderausstellung des Stadtmuseums, einem Symposium, das nach einigen Jahren wieder einmal in Hildburghausen stattfand und verschiedenen Vorträgen und Lesungen und weiteren Veranstaltungen hatte die Stadt ihrer geheimnisvollsten Bewohnerin gedacht.

Es gibt darüber hinaus noch weitere Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Dunkelgräfin stehen. So starb vor 193 Jahren der langjährige Diener und engste Begleiter des Paares, Philipp Scharre.

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Das Grab des Eishäuser Pfarrers Heinrich Kühner, ganz in der Nähe
des Grabes vom „Dunkelgrafen“
2013 © Ulrich Göpfert

Vor 183 Jahren hatte der Dunkelgraf den Tod des Eishäuser Pfarrers Heinrich Kühner zu verkraften. Mit diesem (dem früheren Erzieher der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen) stand der Dunkelgraf in engem, vor allem schriftlichem Kontakt - persönliche Begegnungen sind kaum überliefert.

Am 25. November jährt sich der Todestag der Dunkelgräfin zum 174. Mal.

Und vor 163 Jahren - am 12. Dezember 1847 - starb die Prinzessin Paul, die letzte unmittelbare Tochter des Hildburghäuser Herzogshauses. Sie war vermutlich auch die letzte, die um die wahre Identität der Dunkelgräfin, die bis zu ihrem Tod höchsten Schutz genoss, wusste.

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Foto: 2013 © Ulrich Göpfert

Bedenken sollte man bei der Erforschung auch folgendes: „Nur das ungelöste Rätsel birgt noch geheimnisvollen, verwunschenen Zauber wie das einsame Grab am Schulersberg“.

Quellenhinweise:
Touristinformation Hildburghausen
Margarete Braungart, ehemalige Leiterin des Stadtmuseums Hildburghausen

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