Das Dreschen war zu Großvaterszeiten eine schwere Arbeit

Das „Dreschen“ war zu Großvaterszeiten
eine schwere Arbeit

„Wer nicht dreschen kann, kann auch nicht tanzen“,
sagt ein altes Sprichwort

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Foto: © Ulrich Göpfert

In unserer Zeit der Technisierung wird das Getreidegut mittels Mähdrescher eingebracht, zwei Arbeitsgänge in einem Zug: Mähen und Dreschen. Das Foto wurde bei einer Ernte auf den Langen Bergen aufgenommen

Wer den Dreschflegel schlug, brauchte Kraft in Händen und Armen
Um 1900 mußte dies in zwei getrennten, zeitraubenden Tätigkeiten erledigt werden. Sowohl das Mähen als auch das Dreschen waren äußerst kräftezehrende Handarbeiten. Die Bauerngeneration vor 1900 hatte noch zeitlebens mit dem Flegel gedroschen. Redensarten in der Alltagssprache weisen in drastischer Weise auf die anstrengende Dreschtätigkeit hin. So hörte man beispielsweise sagen: „Ich habe Hunger wie ein Scheunendrescher“, auch, „Ich bin so müde, wie wenn ich den ganzen Tag gedroschen hätte“.

Nach der Getreideernte musste an Regentagen ein Teil gleich gedroschen werden, weil Saatgetreide gebraucht wurde. Mancherorts wartete man schon sehnsüchtig darauf, neues Korn in die Mühle fahren zu können. Die eigentliche Dreschzeit mit dem Dreschflegel begann jedoch erst im November, wenn alle Feldarbeiten beendet waren. Um Martini (11. November) gab es kaum eine Scheune im Dorf, in der nicht das Schlagen der Dreschflegel zu hören war.

Die Drescharbeit war sehr anstrengend, und man konnte diese nicht neben der schweren Feldarbeit erledigen. Bei den meisten Bauern dauerte es bis Weihnachten, ehe ausgedroschen war. Es gab auch Bauernhöfe, bei denen sich die Drescharbeit bis Lichtmess (2. Februar) hinzog. Zum Dreschen wurde auch bei strenger Kälte um zwei oder drei Uhr nachts aufgestanden und nüchtern bis sieben oder acht Uhr morgens gedroschen. Bei sehr trübem Wetter mußte in den Dämmerungszeiten eine Laterne das fehlende Tageslicht ersetzen. Das Flegeldreschen musste unbedingt gelernt sein. Der Flegel sollte im Drehschwung mit seiner ganzen Länge auf das Getreide aufschlagen, also musste man gut ausholen und dabei den Stiel in den Händen etwas umdrehen. Damit man sich nicht gegenseitig mit dem Dreschflegel schlug, musste jeder den Dreschertakt einhalten. All dies verlangte vollkommene Körperbeherrschung, ebenso Kraft und Übung.

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Repro: Ulrich Göpfert

Eine Aufnahme die bereits vor über 100 Jahren angefertigt wurde, zeigt eine Gruppe von Dreschern. Die Fotoreproduktion wurde aus dem Buch: Geschichte der Stadt Neustadt bei Coburg im zwanzigsten Jahrhundert, Zweiter Band, mit freundlicher Genehmigung von Helmut Scheuerich und der Stadt Neustadt erstellt.

Das Dreschen im Dreschertakt stützt sich auch auf die Erfahrung, dass jede Art von gleichförmiger Arbeit weniger ermüdet, wenn sie taktmäßig ausgeführt wird. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Drescher bestimmt die Art des Taktes; so gab es einen Drei-, Vier-, Fünf-, Sechs- und Achttakt. Das Schlagtempo war immer das gleiche: etwa 30 Schläge pro Minute. Der gleichmäßige Rhythmus wirkte beflügelnd auf die Kräfte zehrende Arbeit. So gab sich jede Gruppe eine eigene Melodie, zu der man folgende Sprüche sagte:

  • Bei der Zweiergruppe: „Ach Gott – ach Gott – ach Gott – ach Gott“!
  • Der Dreierspruch lautete: „Eins, zwei, drei – eins, zwei, drei“ oder Ach Gott-la, ach Gott-la, ach Gott-la“!
  • Bei den Vierern hieß es: „Schlaa du na zu, lass mich in Ruh“! Ein anderer: „Es dunnert, es watter – es dunnert, es watter“!
  • Zur Sechsergruppe sangen die Flegel: „Kreuz-him-mel-dun-ner-watter“!
  • Der schwerste Schlag war der Fünferschlag, der schönste war der Sechserschlag.

Standen gute Drescher in einer Gruppe, dann wurden alle Beteiligten nicht so leicht müde. Dreschkünstler, auch solche gab es, konnten sich ab und zu erlauben, einen Sonderschlag anzuschlagen. Dieser außerplanmäßige Schlag wirkte wie ein Donnerschlag und ließ auch die guten Drescher zusammenzucken. Passte einer der „Drescherlehrlinge“ nicht auf und kam aus dem Takt, erhielt er mit dem Flegelstiel einen ordentlichen Stoß.

Ein altes Sprichwort dazu lautet: „Wer nicht dreschen kann, kann auch nicht tanzen“!
Für den Arbeitsvorgang des Drischeldreschens war eine aus Holzbohlen gefügte Tenne zweckmäßiger als eine aus Lehm gestampfte. Zur Vorbereitung der Arbeit wurde die Tenne sauber gekehrt, das Scheunentor geöffnet und zwischen den Torständern das „Scheunenbrett“ eingesetzt, welches das Abspringen der Körner ins Freie verhindern sollte. Die noch gebundenen Garben wurden nun entlang der Tennenwand in Reihe „angelegt“. Nach dem Anlegen wurden die Ähren der noch gebundenen Garben kurz vorgedroschen („vorgeschlagen“), wobei auch die untere Seite der Garben nach oben gewendet wurde. In einer weiteren Prozedur wurden die jetzt offenen Garben mit einem Rechen zu einer gleichmäßigen dicken Schicht auf beiden Schenkeln ausgebreitet, womit das Dreschen mit voller Mannschaft vorbereitet war.

Zunächst wurde jeder Schenkel zweimal durchgedroschen. Nun wurde das Getreide umgewendet, die Unterseite nach oben, und dieselbe Arbeit wiederholte sich. Waren Ober- und Unterseite des angelegten Dreschgutes in der eben beschriebenen Weise viermal durchgedroschen worden, sowohl Ähren als auch Halmlänge, so hatte man ein „Stroh“. Nach jedem „Stroh“ wurde „aufgehoben“. Es wurden mehrere Bündel zu einer Garbe vereinigt, gebunden und weggeschafft. Von dem, was auf der Tenne lag, wurde das Wirrstroh in eine Ecke gerecht, Körner und lose Ähren wurden längs der Tenne zusammengeschoben.

Das Drischeldreschen war insgesamt eine sehr staubige Angelegenheit, bei der es viel Durst und Hunger gab. Für die Trennung der Körner von allen Beimengen kannte man in älterer Zeit nur das „Worfeln“. Es trennte die besseren und zugleich schwersten Körner von den minder guten. Die besseren Körner flogen am weitesten. Diese Reinigungsart erledigten dann später die handbetriebenen Putzmühlen (Windfegen). Ein Mann musste die Putzmühle drehen, ein anderer schüttete ober Getreide und "Sied“ hinein. Ein weiterer Helfer musste „einrühren“, also oben das Gemenge immer gleichmäßig zuführen. Die Kinder, die diese Arbeit verrichten mussten, betrachteten dies als schlechteste Tätigkeit des Vorgangs. Bei Gerste und Roggen mit scharfen Grannen (Ährenborsten) krochen diese den Hemdsärmel hinter und durchwanderten den ganzen Körper.

In manchen Dörfern ging die Zeit des Flegeldreschens schon um das Jahr 1900 zu Ende. Nur das Bänderstroh wurde bis zur Einführung der Strohbändermaschine mit dem Flegel gedroschen. Das „Ausdreschen“ (mit dem Flegel) – es wurde als das Ende des Wirtschaftsjahres angesehen – endete mit der „Drischellege“, auch „Flegelhenke“, das heißt mit dem Weglegen und Aufhängen des Dreschflegels. Die „Drischellege“ war wie die „Sichellege“ ein Mahl mit Feiertagskost. Dieses Dreschermahl wurde wie ein kleines häusliches Erntefest gefeiert.

Die erste mechanische Dreschmaschine war ein durch zwei große Handkurbeln mit Menschenkraft angetriebener Zahndrescher. Über eine Lade führte man das Korn in die Trommel, die sich mit hoher Geschwindigkeit drehte. Dabei schlugen die Zinken das Korn aus den Ähren. Der Breitdrescher war die erste Dreschmaschine, in der die Garben durchliefen. Das ausgedroschene Stroh kam am anderen Ende wieder aus der Maschine heraus. Er war der Vorläufer des später von der Dampflokomobile angetriebenen Dreschkasten. Auch hier musste man zur Reinigung des Getreides die so genannte „Wannenmühle“ einsetzen, wobei durch Erzeugung eines Luftstromes das über ein Sieb laufende Korn von der Spreu getrennt wurde. Die erste Antriebsmaschine war der von den Pferden bewegte „Göpel“. Mit Hilfe einer Transmissionswelle übertrug man die drehende Bewegung des „Göpels“ auf eine Maschine, die in der Scheune stand.  
 
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Dampfdreschen der Gutsverwaltung in Puchhof bei Aholfing
© Haus der Bayerischen Geschichte


Nach 1900 schnurrte auch bei uns im Coburger Land zum erstenmal der Dampfdrescher, ein Breitdrescher mit Reinigungsmaschine. Diese fahrbare Dreschmaschine gehörte meist einem Lohndrescher, der von Hof zu Hof zog. Es war eine Sensation, wenn dieser große und schwere „Dreschkasten“ einschließlich der gewichtigen Dampfmaschine, der sogenannten Lokomobile, von vier oder sechs Pferden gezogen, auf den Bauernhof gebracht wurde. Bei den schlechten Wegverhältnissen der damaligen Zeit war es oft ein Kunststück, die beiden großen Geräte sicher an Ort und Stelle zu bringen. Schon tagelang bevor der „Drescher“ auf den Hof kam, wurde von nichts anderem mehr geredet.

Mit „Hü und Hott“ und Peitschengeknall, oft von deftigen Flüchen begleitet, rollte der Dreschkasten auf Wegen, die für eine solche Belastung nicht gebaut waren, langsam auf den Hof zu. Oft sanken die Räder so tief ein, dass noch Vorspann geholt werden musste. Hatte der Dreschmeister mit Hilfe der Männer und einer Winde sowie vieler „Haurucks“ den Dreschkasten richtig stehen, wurde die Lokomobile oft unter noch größeren Schwierigkeiten herbeigeschafft. Für den nächsten Morgen wurden dann aus der oft zur Dreschgemeinschaft erweiterten Nachbarschaft bei zu einem Dutzend Helfer bestellt.

Schon in den ersten Morgenstunden ertönte der erste Pfiff der Dampfpfeife der Lokomobile. Der Dampfkessel musste ein paar Stunden vor Dreschbeginn vom Maschinisten angeheizt werden, damit genügend Dampf im Kessel war. Durch einen langen Riemen mit der Dreschmaschine verbunden, stand diese Antriebskraft im Hof, während die Dreschmaschine meist in der Scheune aufgestellt war. Diese trennte Stroh, Spreu und Körner. So war die gesamte Drescharbeit nun bei großen Bauern in wenigen Tagen erledigt. Dafür musste aber mindestens eine Person den ganzen Herbst über zur Nachbarschaftshilfe gehen; diese war oft nicht zu beneiden.

Oft stand die Dreschmaschine so beengt in der Scheune, dass gerade zwei Frauen Platz hatten, das Stroh wegzunehmen, und zwei Männer, welche die „Schieten“ binden mußten. Es gab damals noch keine Unkrautbekämpfungsmittel; deshalb staubte es oft, dass sich die Arbeitenden kaum sehen konnten. Distelsamen flogen in die Gegend, manchmal war es kaum zu ertragen. Diese Arbeit musste aber in der Nachbarschaftshilfe eine Woche lang erledigt werden. Es dauerte sicher Wochen, bis sich die Staublunge einer mit solcher Verrichtung betrauten Person in der frischen Luft und Natur wieder reinigte. Heute würde man diese Arbeit als unmenschlich bezeichnen.

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Beladen eines Leiterwagens Anfang des letzten Jahrhunderts mit Getreidegarben
 
Repro: Ulrich Göpfert

Diese Fotoreproduktion wurde aus dem Buch: Geschichte der Stadt Neustadt bei Coburg im zwanzigsten Jahrhundert, Zweiter Band, mit freundlicher Genehmigung von Helmut Scheuerich und der Stadt Neustadt erstellt.

Ein vereinbartes Pfeifzeichen der Lokomobile rief die Dorfleute zusammen. Der Bauer wies den Dreschhelfern, teils eigene, teils fremde, ihre Arbeitsplätze zu. Ein paar mussten in den „Stock“, ein paar auf die Plattform über der Tenne, wieder andere auf die Dreschmaschine, um die Garben aufzutrennen. Andere Helfer mussten nachher das gedroschene Stroh wieder binden und wegtragen, und besonders kräftige Mannsbilder mussten die gefüllten Getreidesäcke hinauf auf den Getreideboden unter das Dach bringen.

Die Mitarbeiter hatten nun ihre Plätze eingenommen. Schnaubend und wütend hatte sich das große Schwungrad der Lokomobile in Bewegung gesetzt. Der lange Treibriemen, der Lokomobile und Dreschkasten verband, war angelaufen, surrend, immer mehr auf Touren kommend, bis ein helles Brummen aus dem Dreschkasten anzeigte: „Nun kann es losgehen...“.

Der Einleger, der Gehilfe des Dreschmeisters, warf die erste Garbe in den Trichter. Staub wirbelte auf, und das erste ausgedroschene Stroh kam aus dem „Ungetüm“. Bald war jeder Helfer voll im Einsatz. Wenn es möglich war, wurde das Getreide an einem Tag gedroschen, weil der Nachbar schon ungeduldig wartete....

Und weil das Dreschen ein besonders schweres und vor allem staubiges Geschäft war, kam an diesen Tagen immer etwas besonders Kräftiges auf den Tisch. Es wurde nicht gespart an Fleisch und anderen Köstlichkeiten, und für die Männer gab es sogar selbst gebrautes Bier. Es ist verständlich, dass alle, die beim Dreschen mithalfen, auch einen großen Appetit mit an den Tisch brachten.

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Repro: Ulrich Göpfert

Sonderpostkarte zur Landwirtschaftlichen Ausstellung im Jahre 1913 in Neustadt bei Coburg. Diese Fotoreproduktion wurde aus dem Buch: Geschichte der Stadt Neustadt bei Coburg im zwanzigsten Jahrhundert, Zweiter Band, mit freundlicher Genehmigung von Helmut Scheuerich und der Stadt Neustadt erstellt.

Es gab im Laufe der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts verschiedene Verbesserungen beim Dreschgeschäft. Seit 1910 besorgten Elektromotoren den Antrieb der Dreschmaschinen. Um das Jahr 1930 kamen Pressen auf, die man hinter der Dreschmaschine schaltete. Sie übernahmen das Wegnehmen und Binden des Strohs, damit entfielen, die schlimmsten Dreckarbeiten.

Im Jahre 1970 brummten die letzten Gemeinschaftsdreschmaschinen auf unseren Dörfern. Das „Wunder“ Mähdrescher, das Mähen, Ernten und Dreschen in einem Arbeitsgang erledigt, hat der Getreideernte und dem Dreschen „den Schrecken“ genommen. Ein Wandel innerhalb weniger Jahrzehnte, den sich niemand unserer Vorfahren jemals vorgestellt hat, war eingetreten. Allerdings erfordern die Anschaffung und die Unterhaltung derartiger Maschinen auch entsprechende Investitionen. Heute wird dieses zum großen Teil durch den „Landwirtschaftlichen Maschinenring“ erledigt.

Da sich das Dreschen alter Art (Dreschflegel) über den Winter oft bis Fastnacht hinzog, standen manche geübte Sitten und Bräuche beim Ausdrusch in Beziehung zum Erntebrauchtum. Es wurden Vorstellungen des Erntebrauchkreises auf Mittwinter und Frühjahr übertragen. Die letzte Garbe, die bei der Ernte im Mittelpunkt stand, erschien wieder beim Dreschen.

Wer die letzte Garbe heranholte, wer sie drosch oder wer den letzten Drischelschlag darauf tat, erhielt den Namen „Drischelkönig“, oder etwas drastisch „Flegelsau“, aber auch „Kornhammel“. Das bei der Ernte selten gewordene Einbringen einer Person in Stroh anstelle des menschengestaltigen oder tierisch gedachten Korngeistes war früher beim Ausdrusch noch häufig. Einer wurde umwickelt, geschwärzt und begossen. Bei der „Drischellege“ wurde wie beim Erntemahl der „Vertreter des Korngeistes“ auf besondere Weise bewirtet.

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