Spinnrad, Dörrobst, Griebenschmalzbrot und Kerzenlicht...

Spinnrad, Dörrobst, Griebenschmalzbrot und Kerzenlicht …
Eine Stimmung wie in früheren Spinn- und Lichtstubenzeiten herrschte im Evangelischen Gemeindehaus in Dörfles-Esbach

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Ulrich Göpfert bei seinem Vortrag im Evangelischen Gemeindehaus
2005 © Ulrich Göpfert

Der Frauentreff der Evang. Kirchengemeinde Dörfles-Esbach hatte am gestrigen Dienstagabend zu einem Vortrag über „Spinn- und Lichtstuben in früher Zeit eingeladen“ und zahlreiche Frauen und „Mannsbilder“ waren der Einladung in das Evang. Gemeindehaus gefolgt. Der freie Journalist Ulrich Göpfert aus Dörfles-Esbach, bekannt durch seine Erzählungen und Sagen sowie Berichte über die Geschichte und das Brauchtum im Coburger Land konnte dazu als Dozent gewonnen werden.

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Die jüngste Teilnehmerin Lena Weigand
war fleißig bei der Strickarbeit anzutreffen
2005 © Ulrich Göpfert

In seinem Vortrag über die Spinn- und Lichtstuben konnte er einen „Hauch von dieser Atmosphäre aus der Vergangenheit“ vermitteln. Gerade heute, in unserer kurzlebigen, hektischen Zeit ist es seines Erachtens dringend notwendiger denn je, mit solchen Veranstaltungen bzw. Vorträgen aus der Vergangenheit und vom Brauchtum unserer Vorfahren zu berichten. Denn Heimatgeschichte und Brauchtum finden in unserer heutigen Gesellschaft wenig Raum und Beachtung.

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Kerzenlicht, Dörrobst und Griebenschmalzbrot
wie in früheren Zeiten in den Lichtstuben
2005 © Ulrich Göpfert

In der Zeit der langen Abende in den Herbst- und Wintermonaten waren früher die Spinn- und Lichtstuben der Treffpunkt der Landjugend zur Erholung und Kurzweil. Wenn es draußen langsam kalt und stürmisch wurde und die Dörfer sich äußerlich verlassen still zeigten, regte es sich in den Häusern immer mehr. Von Allerheiligen bis Mitte März hielt die Jugend ihre Spinnstuben, meist im „Dorfhaus“.

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Gute Stimmung bei bester Unterhaltung…
2005 © Ulrich Göpfert

Sobald es dunkel wurde, die Arbeiten im Haus und Stall verrichtet waren, legten die Mädchen ihren Sonntagsstaat an. Das schönste bestickte seidene Rockenband aus Großmutters Truhe wurde um den blühendweißen Flachsrocken geschlungen und das zierlich geschnitzte und sorgfältig bemalte Spinnrädchen eingepackt. „Auf ging’s zur Spinnstumm“. Das Gesellige trat neben der Spinnarbeit besonders hervor. Es wurde unterhalten, es wurden Geschichten erzählt, Gesellschaftsspiele ausgeführt, es wurde gesungen und getanzt. War das Spinnen so zwischen 9 und 10 Uhr abends zu Ende, wobei während der Arbeit meist Gespräche um Ereignisse und die öffentliche Meinung des Dorfes geführt wurden, kam den hergebrachten Spielen in der Spinnstube nun besondere Bedeutung zu.

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…aber auch Spannung und große Aufmerksamkeit z.B. beim
Vortrag und bei den Spinnstubenerzählungen und -sagen
2005 © Ulrich Göpfert

Die Burschen kamen meist schon während der Spinnarbeit in die Spinnstube und machten sich durch mancherlei, oft übertriebene Neckereien bemerkbar. Wenn einer Spinnerin beim Treten des Rades ein Faden riss, so nahm ihr ein Bursche den Rockenkürsel ab, den sie durch einen Kuss wieder auslösen musste. Manche Burschen hingen die Treter am Spinnrad ab, versteckten sie, oft auch das ganze Spinnrad; dies geschah auch gerne auf dem nächtlichen Heimweg der Spinnstubenmädchen.

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Utensilien aus der Spinnstubenvergangenheit waren auf einem Tisch extra
für diese Vortragsveranstaltung vom Frauentreff vorbereitet worden
2005 © Ulrich Göpfert

Die Spinnstubengemeinschaft zerfiel aber nicht mit dem Abschluss dieser winterlichen Zusammenkünfte, sie blieb den Sommer über wirksam, bei Tanz und anderen öffentlichen Zusammenkünften Sie wurde zur Lebensgemeinschaft, nahm Anteil an allen Ereignissen der Angehörigen, bei Hochzeit und Tod. Die Spinnstuben wurden bedeutungslos, als der Flachsanbau verschwand; sie blieben jedoch in geselliger Hinsicht dann als Strickstuben bestehen. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren sie ein Mittelpunkt der dörflichen Geselligkeit.

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Natürlich gab es nach dem Vortrag noch genügend
Gelegenheit um die „Schnäbel zu wetzen!“

2005 © Ulrich Göpfert

Heute gibt es keine solchen Spinnstuben mehr. Die Spinnräder und Rocken, die Hecheln und Haspeln sind selber eingesponnen von Staub und Spinnweben auf den Dachböden der Bauernhäuser. Einen Webstuhl findet man im ganzen Dorf nicht mehr. Heute schnurrt in den Bauernhäusern kein Spinnrad mehr. Dafür hat man jetzt in jedem Haus Radio und Fernseher, diese schnurren und surren fast den ganzen Tag, dass man oft sein eigenes Wort nicht versteht! Es ist sehr schade, dass diese schöne Tradition der Spinnstuben heute nicht mehr besteht, sie waren Garant für Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn in den Dorfgemeinschaften.

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Bei den gebotenen Köstlichkeiten wurde natürlich kräftig zugelangt!
2005 © Ulrich Göpfert

Vielleicht lebt diese schöne Tradition eines Tages wieder auf. Denkbar wäre auch eine etwas andere neuzeitliche Form. Es wäre wünschenswert. Zur großen Freude der Gäste im Evangelischen Gemeindehaus erzählte der Autor Ulrich Göpfert im Anschluss an sein Referat noch die Sage von der "Spinnera“, die sich in Watzendorf im Itzgrund zugetragen hat und die Spinnstubengeschichten von den „Totenlachen bei Scherneck“ und dem „Wechselbalg von Ahlstadt“.


5 Jahre Frauentreff

Seit nunmehr 5 Jahren gibt es in der Evangelischen Kirchengemeinde Dörfles-Esbach einen Treff für Frauen jeden Alters. Etwa 15 bis 20 Frauen treffen sich am 3. Dienstag im Monat im Evang. Gemeindehaus. Nach einem 1 bis 1 ½ -stündigen Programm bleibt dann bei offenem Ende immer noch Zeit um die „Schnäbel zu wetzen“. Als Ziel hat sich der Frauentreff gesetzt, eine Möglichkeit zum Aufatmen im Alltag zu geben. Dies wird durch ein vielfältiges Programm in einer gemütlichen Atmosphäre versucht. Frauentreff heißt: „Gemeinschaft, Durchschnaufen, Nachdenkliches hören, Kreativ sein, Neue Impulse bekommen, Fröhliches erleben, Austausch zu verschiedenen Themen, Miteinander reden“. Es ergeht herzliche Einladung, einfach einmal vorbeizuschauen!


Informationen:

Renate Weigand, Tel.: 09561 - 6 33 44
Sigrid Sollmann, Tel.: 09561 – 6 86 26
Angelika Waltz, Tel.: 09561 – 5 43 59.

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