Der treue Pöpel

Eine Sage aus der Ortschaft Meeder im Coburger Land

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Ein Blick vom „Meederer Berg“ auf die Ortschaft Meeder
in der sich diese Erzählung zugetragen hat
Foto: © Ulrich Göpfert

In dem Dorf Meeder, durch dessen ganze Länge ein breiter Bach fließt, stand vormals ein altes Haus, in welchem zur Nachtzeit ein so entsetzliches Gerumpel und Gepolter sich hören ließ, und die Mägde und Knechte wurden in den Betten so jämmerlich geohrfeigt, dass der Besitzer desselben zuletzt für seine Arbeit gar kein Gesinde mehr bekommen konnte und sich genötigt sah, das alte Gebäude niederreißen und ein neues errichten zu lassen, denn es war ihm gesagt worden, dass dann der Spukgeist weiterziehe.

Als dann das neue Haus fertig und alles zum Einzug auf den folgenden Tag vorbereitet war, sah man abends sechs Uhr einen langen, hageren Mann am Bach gebückt sitzen und alte zerlumpte Kleider waschen. Den sonderbaren Mann, dessen Antlitz in der Spätherbstdämmerung, so viel man davon erblicken konnte, wie Spinnweben aussah, kannte kein Dorfbewohner und auch keiner von den neugierig sich versammelten Bauern hatte den Mut, den unverdrossen fortwaschenden Mann anzureden, er kam ihnen so unheimlich vor.

Da fasste sich endlich der Besitzer des neuen Hauses ein Herz, trat heran und fragte den Mann, was er denn hier mache? Dieser aber fuhr, ohne aufzusehen in der Arbeit fort und sagte: „Da wasch ich mein Gehieder und mein Gefieder und morgen zieh ich auch mit ins neue Haus.“

Dem Bauern traten bei diesen Worten große Angsttropfen auf die Stirn, und als er wieder hinsah, war der Mann verschwunden. Ach, er hatte es sich so viel Geld kosten lassen, den schlimmen Gast los zu werden, und nun war alles umsonst. Und wirklich ging in der anderen Nacht der Lärm womöglich noch ärger fort.

Es blieb dem Bäuerlein nichts mehr übrig, als einen langen Eichenstock aus der Uhrkastenecke hervorzuholen und in das Stift Würzburg zu reisen, woher er einen Mönch, welcher ein weiser Mann oder Pöbelträger* war, mitbrachte.

Dieser besprach den Poltergeist, steckte ihn in einen geweihten Sack und trug ihn nach Rottenbach in den Fichtenwald, wo er ihn an einem Baum festband. Seit der Zeit war Ruhe im Haus.

Anmerkung:
Der Mönch soll ein Popanz- und Pöbelsträger gewesen sein. Diese Leute verstanden nach dem Glauben des Volkes die Kunst, durch Zaubersprüche die bösen Geister zu fangen. In Säcken trugen sie die Kobolde, auch Pöbel genannt, an Orte, wo sie gebannt blieben, meist in Sümpfe oder Wildnisse.

Quellenhinweis: Volksmund

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