Der Seereiter

Eine Sage von den „Langen Bergen“ im Coburger Land

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„Der Seereiter“ - Meederer Sagenweg.
Foto: © Archiv Ulrich Göpfert

Zwischen Ottowind und Oettingshausen, unter dem Hölzchen, welches das breite Loch heißt, liegt ein großer Wiesengrund, welcher vor Zeiten ein See gewesen sein soll. Hier sieht oftmals zur Mitternachtszeit, der in der Pferchhütte ruhende Schäfer einen Mann ohne Kopf auf einem weißen Rosse langsam vorüber reiten, dass die Schafe scheu werden und durch den Pferch brechen. Dieser Reiter, welcher in der Umgegend der Seereiter heißt, ist auch noch von vielen anderen Leuten bemerkt worden, und auf dem ganzen langen Berge bis über Beuerfeld hinaus will man ihn gesehen haben.

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Ehemaliges Wasserschloss Moggenbrunn.
Foto: © Archiv Ulrich Göpfert

Oberhalb von Beuerfeld liegt in einem Fruchtbaumhain das Dörfchen Moggenbrunn mit einem Schloss, das in früherer Zeit von einem Wassergraben umflossen wurde. Hier hauste im 16. Jahrhundert ein alter Edelmann, Junker Hans Eytel Kemmater genannt, ganz allein übrig von diesem sehr alten Geschlecht, mit einem einzigen Sohn und der Tochter seiner Schwester, Elsbeth. 

Der Vater war ein barscher, jähzorniger Mann, welcher aber streng auf Ehre und auf seine Nichte wie als sein eignes Kind hielt. Der Sohn, ein schöner Jüngling wusste sich durch sein einnehmendes Wesen bei Jedermann beliebt zu machen, hatte jedoch einen höchst leichtsinnigen und Veränderung liebenden Charakter. Auf die sanfte, weiche Jungfrau machte der um dieselbe sich bewerbende Jüngling einen solchen Eindruck, dass sie ihm ihre Liebe und Blüte ihrer Jugend schenkte. Von dem geheimen Verhältnis ahnte alte Kemmater nicht das Mindeste.

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Meederer Sagenweg - Elsbeth,
zu sehen hinter dem Wasserschloss Moggenbrunn.

Foto: © Archiv Ulrich Göpfert

Nach mehreren Monaten spürte Elsbeth die Folgen ihres Vergehens und ging ihren Geliebten mit dem heißesten Flehen an, sie zur Gattin zu nehmen, und nicht der Schande Preis zu geben. Aber schon am andern Tag reiste dieser heimlich zu einem befreundeten Edelmann und überließ die Trostlose ihrem großen Jammer; denn dem strengen Oheim von ihrem Zustand etwas zu sagen, trug sie Scheu, ungeachtet sie seine nicht geringe Zuneigung zu ihr kannte.

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Das ehemalige Wasserschloss Moggenbrunn vom Westen aus gesehen.
Ein Weg führt durch eine wunderschöne Baumallee dorthin.
Foto: © Archiv Ulrich Göpfert

Am Christabend kamen die Wehen und sie schwankte, von Verzweiflung und Schmerz ergriffen, in den Garten, wo sie unter einer blätterlosen Laube auf Schnee gelagert, einen Knaben das Leben schenkte. Der Alte hörte von dem sich fürchtenden Gesinde, dass es draußen winselte, begab sich an den Ort und fand seine geliebte Nichte sterbend im Schnee, ein Kindlein erfroren neben ihr. Doch erfuhr er noch von ihr die Treulosigkeit seines Sohnes. An den Leichen schwur der hitzige Mann dem Missetäter schwere, fürchterliche Strafe.

Nach einigen Wochen kehrte der junge Kemmater wieder zurück und wurde von seinem Vater, nachdem dieser ihm die Schandtat vorgeworfen hatte, an dem Tor des Schlosses mit einem Brotmesser niedergestoßen. Er wollte lieber ohne Nachkommen sterben, als dass sein Geschlecht von einem gott- und ehrvergessenen Buben fortgepflanzt wurde. Herzog Johann Casimir ließ den Mörder einziehen, ihm den Prozess machen und den vierundsechzigjährigen Mann als den letzten seines in den Coburger Landen wohlbekannten Geschlechts, auf dem Markt enthaupten.

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Das Wappen der Kemmater.
Foto: © Ulrich Göpfert

Dies geschah am 26. April 1600. Sein Schild und bemaltes Wappen war von einem Knaben ihm vorgetragen und ist hernach zerbrochen in sein Grab geworfen worden. Seit der Zeit sieht man am Weihnachtsheiligabend eine weiß gekleidete Jungfrau mit einem Kind im Schoße im Garten zu Moggenbrunn sitzen, auch in einer Kammer des untersten Stockwerkes des Schlosses soll sie sich zeigen. Der alte Kemmater aber reitet ruhelos den Bergkamm entlang und wird manchmal von spät aus dem Wirtshaus heimkehrenden Bauern und von hütenden Schäfern bemerkt.

Quellenhinweis: Volksmund

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