Geheimnisse und Aberglaube um das tägliche Brot
Früher galt es als Sünde, von dem kostbaren Brot etwas verkommen zu lassen
"Unser tägliches Brot gib uns heute“
Foto: © Archiv Ulrich Göpfert
Die ältere Generation erzählt immer wieder, welch große Achtung man früher vor dem Brot hatte.
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Die Kinder wurden im Besonderen zur Wertschätzung des Brotes angehalten. Sie konnten ja unmittelbar noch erleben, unter welch großen Mühen das Getreide heranwuchs, geerntet, gedroschen und wie das Gemahlene zu Brot gebacken wurde. Es galt als Sünde, von dem kostbaren Brot etwas verkommen zu lassen oder gar wegzuwerfen. Man hat stets darauf geachtet, dass nicht zu viel Brot aufgeschnitten wurde. Der übriggebliebene Rest wurde zur Brotsuppe verwendet.
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Die hohe Achtung gegenüber dem Brot gebot es auch, dass nach altem Brauch der Laib vor dem ersten Anschnitt auf der Unterseite mit der Messerspitze bekreuzigt wurde. Und da man im Brot und in jeder Speise gleichsam eine Gottesgabe sah, versäumte man es nicht, vor und nach der Mahlzeit zu beten. In vielen Bauernhäusern war es Brauch, stehend oder kniend für Speis und Trank zu bitten und zu danken. Daran mussten sich auch die Dienstboten halten. Sie durften nicht eher aufstehen, bis der Bauer das abschließende Dankgebet gesprochen hatte.
Seit auf dem Bauernhof das Brot vom "Beck“ (Bäcker) gekauft wird, ist die enge Bindung zum Brot, die einst das eigene Backen bewirkt hatte, verloren gegangen. Es hat bei früheren Generationen noch beim Empfang von Besuchen im Haus eine Rolle gespielt. Es war der Ausdruck des Willkommenseins, wenn die Bäuerin für den Besuch den Brotlaib aus der Tischschublade nahm und dem Gast ein Stück abschnitt. Man nannte dieses die "Haus-Ehr“ geben. In anderen Häusern war es Brauch, dem Gast Brot und Messer zur Selbstbedienung auf den Tisch zu legen. Wer dieser wortlosen Einladung nicht nachkam, der, so glaubte man, trage den Schlaf, das heißt die Ruhe und den Frieden, aus dem Haus.
Manche Bäuerinnen tippten mit den Fingern die Krümel des Gastbrotes auf. Damit verband sich der Glaube: Wer mit dem Besuch vom gleichen Brot gegessen hatte, könne mit ihm nicht in Streit kommen. Wie geschätzt und wie rar in vielen Familien das selbstgebackene Brot seinerzeit war, geht aus mancherlei Bräuchen, auch solchen beim Backgeschäft, hervor. Wer Brotbrösel unter den Tisch kehrte, der musste sie nach dem Volksglauben nach seinem Tode wieder zusammenklauben. Dagegen durften Brotbrösel ins Herdfeuer geworfen werden. Damit war die Volksmeinung verbunden, die "Pein der armen Seelen“ lindern zu können. Brot durfte in die Milchsuppe nur eingebrockt werden. Wer mit dem Messer schnitt, der schnitt der Kuh die Milch ab.
Der angeschnittene Brotlaib durfte mit der Schnittfläche weder zur Tür noch zum Fenster hinweisen. Auf diese Weise glaubte man die Ordnung, gemeint war der Wohlstand, des Hauses zu wahren. Kein Messer durfte mutwillig in den Brotlaib gestochen werden, da der Stich eine "arme Seele“ treffen konnte. Dagegen durfte das Messer zur Aufbewahrung im Brotlaib stecken, da Eisen die bösen Menschen abhielt und die Hexe vom Brot ferngehalten wurde. Brotlaibe durften nur so auf den Tisch gelegt werden, dass die gewölbte Oberseite noch oben zeigte, sonst brachte das Unglück. Der Abschnitt musste in der Schublade immer nach hinten schauen, wurde das nicht befolgt, so trieb man das Glück gewaltsam aus dem Haus.
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Eine sparsame Bäuerin ließ niemals über Nacht Brot auf dem Tisch liegen, da die Dienstboten sonst "ka Art mach`n“. Weißer Schimmel störte in der früheren Zeit die Brotesser nicht. Übrigens sagte man: Vom schimmligen Brot bekommt man "helle Augen“. Das Essen von Brotrinde galt als Heilmittel gegen Ausschläge, Schwinden und Warzen. Dem Vieh wurde Brot gegeben, um diese vor Krankheit zu bewahren. Hatte ein Kuh gekalbt, so wurde kein Stück frisches Brot weggegeben, damit der Kuh nichts zustößt.
Wenn ein Mädchen heiratete, so erhielt es früher, als der Kammerwagen noch Mode war, einen Laib Brot oder ein Stück davon mit. Im neuen Heim musste das Brot gleich auf dem Tisch liegen, es musste einfach immer im Haushalt sein, es durfte niemals ausgehen, sonst würde das Glück davongehen. An einem Kreuzweg vergrabenes Brot sollte nach der Volksmeinung die Fähigkeit haben, böse Geiser zu vertreiben. Wenn beim Schlachtfest zu den Nachbarn und Verwandten Schlachtschüssel ausgetragen wurde, so legten die Empfänger jedes Mal einen "Keil“ Brot in den Topf, "damit die Säue wieder wachsen“.
Brotbacken in Dörfles-Esbach wie in früheren Zeiten
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Als glücksbringende Backtage für das Fertigen des Hausbrotes galten einst der Montag, Donnerstag und der Samstag. "Freitagsbrot isst Kummer und Not“ hieß es. Weil am Freitag "unser Herr in der Ruhe lag“, durfte an diesem Tag nicht gebacken werden. Nicht gebacken wurde auch in der Zwölften Zeit vom 25. Dezember bis 6. Januar. Es galt als Schande, an einem Sonntag zu backen. Die Brote verwandelten sich der Legende nach in Steine. Wurde in der Zwölften Zeit trotzdem gebacken, so sagte man, wohin an diesem Tag der Rauch zieht, wird es nicht regnen. Treibt der Rauch beim ersten Backen im neuen Jahr gegen den Friedhof, so stirbt in diesem Jahr ein Mitglied aus der Familie der Bäckerin.
Die Bäuerin streute an Backtagen den Vögeln eine Handvoll Körner hinaus. Dazu sagte sie: "Fütterst Du meine Vögel, so füttere ich Deine Vögel“! Man nannte das Ausstreuen der Körner für die Vögel den "Vogelzehnt“. Der als erster in den Backofen eingeschossene Laib, der "Kreuzlaib“, wurde dadurch gekennzeichnet, dass man drei Finger in den Teig drückte. Er durfte erst angeschnitten werden, wenn alles andere Brot gegessen war. Kein Stückchen von ihm durfte aus dem Haus kommen. Von ihm erhielt die Kälberkuh (= die Kuh, die erst gekalbt hatte) drei Schnitten.
Frisches Brot schmeckt am besten, vor allem die Küppchen
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Ein besonderer Brauch kam früher dem letzten Laib einer "Brotbäck“ zu. In ihn stupste die Bäuerin mit drei Fingern der rechten Hand und kennzeichnete ihn so. Dieser heute vergessene Brauch war Bild und Gleichnis der drei Jünglinge im Feuerofen, die, wie die biblische Geschichte erzählt, vom Feuer unversehrt blieben.
Dieser letzte Laib, der "Feuerlaib“, blieb solange unangeschnitten, bis aus der nächsten "Bäck“ ein neuer "Feuerlaib“ hervorging. Diesem letzten Laib wurde im Volksglauben die Kraft zugesprochen, Feuer löschen zu können. Und so war es Brauch, dass, meist tat das die Bäuerin, falls in einem Wirtschaftsgebäude ein solches Feuer ausbrach, der "Feuerlaib“ in die Flammen geworfen wurde.
Wenn der Brotteig hergestellt und "eingemacht“ war, schlug die Hausfrau einstmals mit der Faust dreimal gegen den Backtrog, "damit dieser es hörte und wusste, dass gebacken wird“. War der Backtrog nun verschlossen, so wurde sorgsam darauf geachtet, dass sich niemand darauf setzte. Kam es aber trotzdem vor, so werde sich nach Volksmeinung der Brotteig "setzen“ (das heißt spundig werden).
Am anderen Tag wurde darauf geachtet, dass nach dem Einmachen und Kneten, auch sonst während des Backens, nichts gegessen wird. Auch die Stube sollte in dieser Zeit nicht gekehrt werden. War der Backofen während des Backvorganges zu heiß gewesen, dann wurde das Brot nachher sehr dunkel, und man sagte dazu, es komme bald Trauer ins Haus.
Nach dem "Einschießen“ der Brotlaibe wurde natürlich nicht vergessen, dreimal mit der Backschaufel das Kreuzeszeichen vor dem Ofenloch zu machen. Zuletzt bekam noch das "Holzfraala“ seinen Teil. Die Bäuerin nahm drei "Bißla Mehl“, stäubte sie auf die vor dem Ofenloch liegenden herausgeräumten Holzkohlen, spritzte dreimal Wasser darüber und hatte so auch dem "Holzfraala“ sein Brot "gebacken“. Bekam das aus dem Ofen genommene Brot beim Abkühlen an der Unterseite Risse und Sprünge, dann deutete man das als Zeichen, dass auf dem Hof bald eine Braut einziehe.
Nach dem Brotbacken wurde die Resthitze im Backofen
noch zum Kuchenbacken verwendet
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Quellenhinweis: Georg Schwarz