Die blutige Kindstaufe im Schloss Wildenheid

Die Feier zur Kindertaufe im Oktober 1542 endete mit einer blutigen Tragödie

 Vorab möchte ich meinen herzlichen Dank an Herrn Johannes Seifert aus Wildenheid aussprechen, der mir die entsprechenden Unterlagen zu diesem Bericht zur Verfügung gestellt hat.

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Unteres Schloss in Wildenheid, jetzt Schule
Repro: Archiv Ulrich Göpfert

Es gibt kaum ein Schloss in unserer Heimat, in dem sich nicht einmal eine blutige Tragödie abgespielt hat. Auch im Wildenheider Schloss, der heutigen Schule, geht noch der Geist eines Neustadter Bürgers, des Ahnherrn vieler Neustadter und Wildenheider Familien, um. Er wurde bei einem fröhlichen Kindstaufschmaus mit dem Dolch eines adligen Herrn in die Ewigkeit hinüber gemordet.

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Die Familienwappen alter Wildenheider Adelsfamilien
Repro: Archiv Ulrich Göpfert

Es war im Oktober 1542
Im Wildenheider Schloss war der Storch eingekehrt und Hans von Kemmaten, der Ältere, der glückliche Vater, lud etwa fünfzehn Edelleute und einige angesehene Neustadter Bürger mit ihren Familien ein. Unter ihnen waren: der Forstmeister Sigmund von Birkig und dessen Brüder Melchior und Otto, Hans von Schönstadt, Martin von Hutten, der Neustadter Hauptmann Philipp Brenner, Lorenz Uellein, ein erfahrender Kriegsmann, Hans Braunschmidt, der Ältere, einen Mann von 67 Jahren, und dessen Sohn Hans Braunschmidt, der Jüngere.

Der Kindstaufschmaus begann schon in aller Frühe. Man sprach dem Essen und vor allem dem Wein tüchtig zu und schon beim Frühstück waren die Köpfe erhitzt, besonders bei den jungen Männern. Mitten in die schönste Gemütlichkeit platzte jäh ein Streit zwischen Jacob von Kemmaten, dem Vetter des Schlossherrn, und dem jungen Braunschmidt.

Der junge Edelmann scheint den jungen Bürgersohn etwas von oben herab behandelt zu haben. Aber da kam er bei dem jungen Braunschmidt übel an. Dessen Bürgerstolz hatte vor dem Adel nicht allzu großen Respekt, vor allem nicht vor jener Linie der Herren von Kemmaten, der Junker Jacob entstammte. Mit dessen Vater war schon des Braunschmidts Großvater bös zusammengeraten. Der junge Braunschmidt war zudem noch einer, der sich vor nichts fürchtete, "ein Geradezu", der sagte, was er dachte und daher oft genug in Raufhändel kam. Bei einer solchen Schlägerei hatte er auch ein Auge eingebüßt.

Die beiden jungen Männer hatten zunächst friedlich miteinander gezecht und waren, während die alten Herren ihre vom Wein erhitzten Köpfe im Schlosshof dem Herbstwind aussetzten, in der oberen Stube beim Wein geblieben. Da kam der junge Herr von Kemmaten aufs „Krebsen" zu sprechen. Er hatte mit den Braunschmidten einen Bach gemeinsam, der in den Schafsee ging. In dem hatte Bartel Braunschmidt, der noch nicht mündige Bruder des Hans, Krebse gefangen, ohne die Hälfte an den Kemmater abgeliefert zu haben. Jakob von Kemmaten verbat sich das in anscheinend schroffer und beleidigender Art. Nun brauste der Braunschmidt`sche Jähzorn auf. "Was willst denn du, du armseliger ohnmächtiger Edelmann!"  Im Nu stand` s vor einer Rauferei. Da kam der Schlossherr dazu und schaffte seinen Vetter aus der Stube.

Beim Mittagsmahl war alles wieder in schönstem Frieden und auf den Abend zu waren die Frauen in der Frauenstube und der größte Teil der Gesellschaft wieder im Schlosshof. Der junge Braunschmidt aber saß mit einigen vom Adel noch oben beim Wein. Da trat plötzlich der junge Kemmater wieder in die Stube. Das war für den Braunschmidt ein rotes Tuch. "So, da kommst du wieder, Kemmater?" schrie er, "wir wollen die Krebse endlich teilen!" und sprang vom Tisch auf. Da nahm der Kemmater einen Trinkbecher und schleuderte ihn auf den jungen Braunschmidt. Aber nun gab` s für diesen kein Halten mehr. Im Nu war eine wilde Schlägerei im Gange, Schwerter und Dolche wurden gezogen. Drei, vier stürzten sich auf den jungen Braunschmidt und versuchten ihn zum Fenster hinaus zu stürzen.

Den jungen Kemmater hatten einige Frauen, die aus der benachbarten Stube hinein geeilt waren, gepackt und auf die Boorlaube hinaus gedrängt. Lorenz Uellein, der aus dem Hof herauf geeilt war, entriss dem Kemmater das Schwert, und mischte sich unter die Raufenden in der Stube. Dort hatte sich die Situation völlig gedreht. Die drei Herren von Birkig hatten, verärgert über Jacob Kemmater, die Partei des jungen Braunschmidt genommen, und kreuzten die Schwerter mit Hans von Schönstadt, der auf der Seite des Kemmater war.

Da sprang der alte Hans Braunschmidt dazwischen, um Frieden zu stiften und brach im nächsten Augenblick mit einem Aufschrei zusammen. Ein Dolch war ihm heimtückisch in die Seite gefahren.

Unterdessen tobte der junge Braunschmidt weiter und man hatte die größte Mühe, ihm sein Messer zu entreißen. Die anderen waren aber durch das Blut des alten Mannes, der den ganzen Tag über still gewesen war, wieder ernüchtert.

Als dann der Hans von Schönstadt wieder hereinkam, und den Alten fragte, wer ihn gestochen hätte, erhielt er die Antwort: "Da fragt ihr noch, Junker?" Ihr seid`s gewesen!" Hans von Schönstadt beschwor, er sei nicht der Täter. "Wie käme denn ich dazu, lieber Braunschmidt? Ihr habt mir doch im Leben schon so viel Gutes erwiesen. Und meinen Vater auch. Ich bin`s nicht gewesen."

Der alte Braunschmidt aber blieb darauf bestehen, war aber, wie er noch kurz vor seinem Tod - er starb in der Nacht in seinem Neustadter Haus - sagte, der Überzeugung, dass Hans von Schönstadt nicht ihn, sondern einen anderen habe treffen wollen.

Die Söhne des Ermordeten und seine Schwiegersöhne Hans Stehtmann, Caspar Großkopf und Jacob Langbein klagten Hans von Schönstadt wegen des Mordes an. Der Akt mit den Angaben des Schönstadters und der Zeugen ist noch vorhanden.

Hans von Schönstadt versuchte die Schuld auf den jungen Braunschmidt zu schieben, dessen blutiger "Brackenfelder" später in der Stube gefunden worden war. An den Schwertern und Dolchen der anderen aber hatte man kein Blut gefunden. Sie hatten es wohl abgewischt. Eine Reihe von Angaben des Schönstadters wurde als falsch nachgewiesen. So versuchte er, es so darzustellen, dass der junge Braunschmidt, nachdem er gesehen habe, was er angerichtet, sich selbst hätte zum Fenster hinaus stürzen wollen.

Einer seiner Belastungspunkte gegen den jungen Braunschmidt war: "Die Leiche des Alten hat zu bluten angefangen, als sein Sohn an die Bahre trat." Das ist ein alter germanischer Aberglaube, der ja auch in der Siegfried-Sage eine Rolle spielt. Als Hagen der Mörder Siegfried` s an die Bahre des jungen Helden trat, brach die Wunde wieder auf.

Die Untersuchung gegen Hans von Schönstadt dauerte über zwei Jahre und beschäftigte sogar die Universität Wittenberg. Es konnte aber nicht erwiesen werden, dass der Schönstadter tatsächlich den tödlichen Stich getan habe und so wurde die Familie Braunschmidt mit ihrer Klage abgewiesen. Gegen den jungen Braunschmidt aber hatten sich keine Verdachtsgründe ergeben, dass er den tödlichen Stich getan habe.

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