Von der Lichtstube, einer Bauernhochzeit, der bäuerlichen Tracht
und von Hausmitteln und Chirurgen
Lichtstube im Coburger Land
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Die Licht- bzw. Spinnstube
Ein alter Brauch war auf den Bauerndörfern schon im 17. Jahrhundert das Abhalten der Lichtstuben in den Wintermonaten. Dabei kamen die jungen Leute wöchentlich einmal, vielleicht durch Absprache zweimal abends zusammen, abwechselnd von einem zum anderen Hof. In den größeren Dörfern hatten sich zwei Gruppen gebildet, denn für alle jungen Leute wäre kein Platz in einer Stube gewesen. Aber da gab es auch manchmal in den größeren Dörfern, die so genannten besseren und die gewöhnlichen Lichtstuben, was nicht schön war. Zu den besseren gingen nur die Bauerntöchter, in die anderen die Dienstboten. In unserem Fall haben wir es mit einem kleinen Dorf und einer allgemeinen Lichtstube zu tun. Diese Lichtstuben überbrückten die sonst langweiligen Winterabende, denn sonst gab es noch keine Möglichkeit zusammenzukommen. Große Saalbauten und dergleichen und Vereine, die darinnen Vergnügen abhielten, tauchten erst Ende des 18. Jahrhunderts auf.
Nun traf man sich an den bestimmten Abenden, Burschen und Mädchen kamen zusammen. Die Burschen konnten keine Arbeit mitbringen, aber ein Musikant mit Mund- oder gar Ziehharmonika war bestimmt unter ihnen. Die Mädchen brachten ihre Spinnräder mit und arbeiteten für die Herrschaft. Man lernte sich näher kennen, und aus einer Lichtstubenfreundschaft ist öfters ein Bund fürs Leben geworden. In diesen Lichtstuben ging es gesittet zu und sie arteten nie aus. Dafür sorgte schon die Hausfrau, in deren Hof die jungen Leute zusammenkamen. Es wurde zwei Stunden gearbeitet, die Burschen erzählten und machten Musik. Dann wurden zum Schluss noch Spiele gemacht, und spätestens um 23 Uhr begab sich alles auf den Heimweg. Auch von anderen Dörfern kamen Burschen in die Lichtstuben, besonders wenn sie ein Auge auf eine besondere ländliche Schönheit geworfen hatten und auch das betreffende Mädchen einer näheren Bekanntschaft nicht abgeneigt war. Im Großen und Ganzen waren auswärtige Burschen nicht gern im eigenen Dorf gesehen, und man musste schon gute Freunde dort unter den Burschen haben. Meistens war es dann auch so, dass der, der von auswärts kam, mindestens für die Einheimischen etwas ausgeben musste, wenn er geduldet werden wollte. Es ist aber auch vorgekommen, dass es Streit wegen einem Mädchen gab. Aber letzten Endes hatte jedoch das Mädchen den letzten Entscheid zu treffen, für welchen Burschen sie sich entschloss. Der Unterlegene musste sich deshalb auch zufriedengeben und sich eventuell ein anderes Mädchen aussuchen.
Die Licht- und Spinnstuben haben sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erhalten, aber sie hatten zuletzt nicht mehr die Bedeutung wie früher. In den Dörfern bauten die Wirte Tanzsäle, wenn auch nur kleine, und überall entstanden Vereine. In Dörfles zum Beispiel wurde 1889 ein Gesangverein und 1895 ein Militärverein gegründet. Diese Vereine sorgten für Geselligkeit und hielten Tanzvergnügen ab.
Dieses Foto und auch die folgenden, habe ich anlässlich der 1050-Jahrfeier in Effelder/Thüringen aufgenommen, es zeigt ein Brautpaar in "Coburger Tracht" von der Trachtengruppe Gerätemuseum Ahorn bei Coburg
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert
Eine Bauernhochzeit
In den letzten Jahren der bestehenden Lichtstuben hatten sich die Dörfleser Burschen und Mädchen mit denen ihres kleinen Nachbarortes Esbach zusammengetan und hielten ihre Zusammenkünfte gemeinschaftlich ab. Abwechslung im Dorf brachte in früherer Zeit auch eine Hochzeit, weil in einem kleinen Dorf die ganze Bevölkerung Anteil daran nahm. In die Kirche zur Trauung musste noch gelaufen werden, und dort, wo keine Kirche war, wie in Dörfles, musste man nach Unterlauter. Bei besseren Hochzeiten fuhr man mit dem Zweispänner, Pferde und Wagen herausgeputzt. Auf dem Rückweg, im Dorf wieder angekommen, wurde das Brautpaar mit einem Seil, das über die Straße gespannt war, aufgehalten. Der Bräutigam griff in die Tasche und warf Münzen aus, und die Schuljugend freute sich darum, und jeder wollte das meiste erhaschen.
Pfarrer mit Brautzug
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert
Aber schauen wir noch einmal zurück:
So eine Hochzeit war für das junge Brautpaar eine anstrengende Zeit. Sie begann mit der Aufgebotsbestellung und der Vorsprache beim Pfarrer, der allerhand prüfende Fragen besonders an die junge Braut zu stellen hatte! War es doch ein Bund fürs Leben, bei dem die Kirche später die christliche Erziehung der Kinder und die kirchlichen Handlungen in der Familie vorzunehmen hatte. Eine ernste und lebensnotwendige Aufgabe!
Hochzeitslader
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert
Dann mussten alle näheren und fernen Verwandten zur Hochzeit geladen werden. Und die vielen Wege und Besorgungen in den Wochen vorher! Alles musste das Brautpaar gemeinsam, gleichsam Hand in Hand erledigen. Große Hochzeiten, das waren meist Hochzeiten größerer Bauern, zählten meist über 50 Gäste! Da musste der Tanzsaal im Ort herhalten.
Ein besonderes Ereignis für die Dorfjugend war der Polterabend. Schon seit Tagen waren Scherben und zerbrechliche Abfälle gesammelt worden, und auf einem Handkarren oder gar Wagen verstaut, fuhr man am Haus der Braut vor und ließ den Kram mit viel Getöse direkt vor der Haustüre hinstürzen. Am Vorabend der Hochzeit wurde bei Bier und Bratwürste bis nach Mitternacht gefeiert. Aber schon früh vor 6 Uhr mussten Braut und Bräutigam den Unrat vor der Haustüre beseitigt haben, um damit auf einen ordentlichen Hausstand hinzuweisen! Erst als der Bräutigam sein angetrautes Weib über die Türschwelle getragen und beide an der großen Tafel Platz genommen hatten, konnten sie gelassener dem weiteren Ablauf entgegensehen.
Auf diesem Foto ist ein kleiner Teil vom "Trachtenverein Oberer Itzgrund e.V. Schalkau" zu sehen
Foto: Archiv © Ulrich Göpfert
Die bäuerliche Tracht
Die Kleidung der bäuerlichen Bevölkerung war im Mittelalter noch nicht einheitlich. Man musste sie sich schon in der Stadt besorgen, wo die Handelsleute von den Tuchmacherzünften der Städte die Ware schon im Mittelalter heranbrachten. Die Wäsche wurde von der bäuerlichen Bevölkerung ausnahmslos selbst hergestellt, denn man hatte ja das Urprodukt Flachs, und die Weiterverarbeitung bis zur fertigen Wäsche machte keine Schwierigkeiten. Die einheitliche Bauerntracht für Männer, Frauen und Mädchen trat erst im 17. Jahrhundert je nach Landschaft und Gebiet einheitlich in Erscheinung und wird teilweise, wenn auch nicht im Coburger Gebiet, aber mehr im unterfränkischen, noch getragen.
Dörfleser Festwagen anlässlich des Einzuges von Herzog Carl Eduard
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Das letzte Mal wurde von Dörfleser Männern und Frauen diese oberfränkische Tracht in Original 1905 beim Einzug Herzog Carl Eduards in Coburg getragen, wobei Dörfles mit Neu-Dörfles einen Festwagen stellte
Als am 5. November 1905 der Einzug des Herzogs Carl Eduard zum Regierungsantritt in Coburg gefeiert wurde, fand am Nachmittag dieses Tages ein großer Festumzug in Coburg statt, den das Herzogspaar auf dem Balkon von Schloss Ehrenburg abnahm. Unzählige Gruppen, von sämtlichen Industrien arrangiert, zogen vorüber. Auch das Landvolk stellte viele Wagen und Reitergruppen. Unter diesen war auch eine Gruppe von Dörfles und Neu-Dörfles, mit einem Festwagen, betitelt "Hof und Flur". Dieser Festwagen wurde von dem damaligen Rittergutsbesitzer aus Neu-Dörfles, Erich Ulmann, vorbereitet. Viele Dörfleser Frauen in alter oberfränkischer Tracht beteiligten sich. Der Wagen war ein so genannter Rollwagen, er gehörte dem damaligen Fuhrwerker Adam Göpfert, meinem Urgroßvater. Adam Göpfert ritt in alter Bauerntracht diesem Festwagen voran. Mit vier schweren Pferden war der Festwagen bespannt, diese stellte der damalige Schultheiß von Dörfles, Johann Büchner, zur Verfügung. Er selbst lenkte auch die Pferde. In der Mitte des Wagens war eine Pyramide mit Getreidesäcken zwei Meter hoch aufgebaut, obenauf stand ein kleiner, mit Goldbronze verzierter Pflug. An den vier Ecken des Wagens saß je ein junges Mädchen in bunter Bauerntracht, Ährengabeln mit einer versilberten Sichel in der Hand. Zwischen den Mädchen auf jeder Seite präsentierten sich sechs Bauersfrauen, darunter auch meine Urgroßmutter Mathilde Göpfert, in altfränkischer Bauerntracht mit ihren schönen, schwarzen Hauben. Sie hielten Körbe auf ihrem Schoß, gefüllt mit Erzeugnissen ihrer Arbeit und mit Früchten, die sie darboten. Auf dem Festwagen standen noch Bauern in ihrem Festtagsgewand mit langen Tabakspfeifen. Oft noch hat man landauf, landab von diesem Wagen gesprochen.
Auch an einem Erntedankfest in Dörfles 1937, dass damals groß aufgezogen und von dem ein Film gedreht wurde, kam diese schöne bäuerliche Tracht nochmals zur Geltung.
Repro: Archiv Ulrich Göpfert
Hausmittel und Chirurgen
Mit dem Gesundheitswesen war es im Mittelalter auf dem flachen Land schlecht bestellt. Wohl gab es in den Städten schon Ärzte, meistens waren es aber so genannte Kurpfuscher mit rabiaten Heilmethoden. Der einfach bäuerliche Mensch konnte sich eine ärztliche Behandlung gar nicht leisten. Das Aderlassen und Schröpfen wurde hauptsächlich vom Bader angewandt. Man ging aber erst zu ihm, wenn die Pflege der Familie und die eigenen Mittel nicht half. Auf dem Lande gebrauchte man bei ersichtlichen Krankheiten die alten bekannten Hausmittel: Kräuter, Heilpflanzen, Tees, Wickel, Umschläge, Bäder, Schwitzkuren usw. Bei ernstlicher Krankheit, deren Ursache man nicht feststellen konnte, musste der Kranke sich selbst überlassen bleiben. In späteren Zeiten nannten sich die Bader auch Chirurgen, welche es in größeren Orten gab. Sie zogen Zähne und behandelten kleinere Wunden. Die Dörfleser gingen in solchen leichten Fällen nach Unterlauter, wo so ein Chirurg sein Handwerk ausübte. An den Sitten und Gebräuchen im Dorf, die sich von Generation auf Generation vererbten, wurde auf dem Land lange festgehalten.
Quellenhinweis:
Hermann Büchner, Dörfles-Esbach, “ Bäuerliche Erinnerungen"