Heinrich Schaumberger - Der fränkische Heimatdichter und Volkserzähler
In meinem heutigen Beitrag möchten ich über den fränkischen Heimatdichter und Volkserzähler Heinrich Schaumberger berichten und dabei mit einem Auszug aus seinem Dorfroman "Das Hirtenhaus“, der vor über 140 Jahren entstanden ist, an ihn erinnern.
Heinrich Schaumberger
Repro: Ulrich Göpfert
Der Heimatdichter Heinrich Schaumberger wurde am 15. Dezember 1843 in einem Erkerstübchen des alten Schulhauses in Neustadt bei Coburg (jetzige Glockenbergschule) geboren. Er lebte seit 1849 in Weißenbrunn vorm Wald. Im Alter von nur 31 Jahren ist er am 16. März 1874 in Davos/Schweiz an einem Lungenleiden gestorben. Er war Volksschullehrer in Einberg, Ahlstadt und in Weißenbrunn vorm Wald.
Diese alte Aufnahme zeigt das ehemalige Hirtenhaus,
das Armenhaus von Weißenbrunn vorm Wald
Repro: Ulrich Göpfert
Weißenbrunn vorm Wald wurde von Heinrich Schaumberger in seinen Werken poetisch mit "Bergheim“ bezeichnet. Schaumbergers wichtigsten Werke sind u.a.: "Bergheimer Dorf- und Musikantengeschichten“, "Zu spät“, Vater und Sohn“, "Fritz Reinhardt“ sowie der im Jahre 1873 entstandene Dorfroman "Im Hirtenhaus“.
Aus diesem von Heinrich Schaumberger geschriebenen Dorfroman, hier ein kurzer Auszug:
"Hirtenhaus“! Wie unschuldig, ja fast anheimelnd das Wörtchen klingt! Unwillkürlich denkt man dabei an ein malerisches altes Häuschen, ein wenig verfallen und altersgrau zwar, aber doch nett, wohnlich, heimelich. Aber wie wenig entspricht dem die Wahrheit. Wie verschwinden all die heiteren Bilder, sobald man weiß, das Hirtenhaus ist das Armenhaus des Dorfes, der Sammelplatz allen Elends, der Aufenthalt der Verkommenen. "Ins Hirtenhaus!“ Begreifst du nun die Bedeutung der kleinen Wörtchen? Verstehst du, was sie für den, dem sie gelten, besagen? Der Kuckuck in der Schwarzwälderuhr rief eben die dritte Morgenstunde an. Ein tiefer Seufzer in der dunklen, kalten Kammer übertönte das Rasseln und Rauschen des Schlagwerkes und eine unterdrückte Männerstimme flüsterte: "Margelies, Margelies!“ Eine Weile erfolgte keine Antwort. Als aber der Name ängstlicher wiederholt ward, klagte eine Frau: "Lass mich, den Alp, der mich drückt, vertreibt kein Anruf! – Schon drei! – Großer Himmel, und heute noch ins Hirtenhaus!“ Heftiges Weinen brach die Stimme. In der anderen Ecke ward es ebenfalls lebendig. Ein Kinderstimmchen wisperte: "Marie, Mariele! – Hast du den Kuckuck gehört?“ "Mehr wie du“, war die wichtigtuende Entgegnung. "Schon um zehn, elf, zwölf, eins, zwei und jetzt wieder. Siehst du, ich habe ihn nun einen ganzen Tag voraus gehört. – Ach, unser armer Kuckuck“, jammerte das Kind. "Gelt Mariele, das ist gar nicht wahr? Gelt unser Kuckuck wird nicht verkauft?“ "Sei doch still“, suchte Marie sie zu beschwichtigen. – "Wenn unser Kuckuck fortgetragen wird, passen wir auf, wohin er kommt. Nachher stellen wir uns vors Haus, da hören wir ihn alle Tage.“ – "Aachele, wir hören unsern Kuckuck alle Tage!“ Die Mutter jammerte, der Vater schluchzte und die erschrockenen Kinder stimmten laut in das Weinen ein. Leise verließ der Vater das Bett, tastete sich zu den Kindern – auch ein drittes war erwacht – und redete ihnen freundlich zu. Die Kleinen beruhigten sich und schliefen auch bald ein. Nicht so die Eltern. Die Mutter dachte an die Schande, ins Hirtenhaus zu müssen, an die Gefahren für die Kinder in schlechter Gesellschaft. Die Gedanken des Vaters – Schreinerlorenz genannt – schweifen zurück in die Vergangenheit. Er hatte nach der Wanderschaft seinen eigenen Hausstand gegründet und die kranke Mutter zu sich genommen. Aber schlechter Geschäftsgang und Krankheiten in der Familie hatten ihn gezwungen, Geld aufzunehmen. Heute wollte der hartherzige Bauer seine Sachen versteigern lassen und er musste ins Hirtenhaus. Er fasste die Hand seiner Frau und sagte: "Wir müssen ertragen, was über uns kommt. Aber den Kopf müssen wir oben behalten.
Sollte es länger dauern, bis wir aus dem Hirtenhause wieder herauskommen, so lass keinen Verdruss zwischen uns aufkommen. Hirtenhaus oder Bauernhof, Herrenschloss oder Bettlerhäusle macht in Wahrheit keinen Unterschied. Auf die Leute kommt` s an, die drin wohnen…
Die große Liebe zu seiner Heimat und den Menschen, deren Charaktere er meisterlich in seinen Geschichten schilderte, seine großartige Beobachtungsgabe, die einzigartigen Naturbeschreibungen geben den Erzählungen Heinrich Schaumbergers und ihren Personen erst die Echtheit, die den Leser immer wieder gefangen nimmt. Die Hinweise auf die soziale Lage der Menschen und die Detailbeschreibungen des Lebens auf dem Lande geben durch seine Werke und Erzählungen ein genaues umfassendes Bild dieser Zeit. Heinrich Schaumbergers Geschichten und Dorfromane werden auch heute noch sehr gerne von interessierten Lesern gelesen.
Das ehemalige Schulhaus in Weißenbrunn vorm Wald
wurde zum Heimatmuseum umgestaltet
Foto: © Ulrich Göpfert
Seit 1978 betreut der Bürgerverein Froschgrund e.V. u.a. die Stiftung von Heinrich Schaumberger. In Würdigung seines literarischen Schaffens des fränkischen Dichters und Volkserzählers wurde das ehemalige Schulhaus in Weißenbrunn vorm Wald Anfang der 70iger Jahre zum Heimatmuseum umgestaltet und im Jahre 2000 weiter saniert und mit einer Küche und Aufenthaltstraum, sowie sanitären Anlagen ausgestattet. Außerdem wurde im 1. Stock ein altes Klassenzimmer eingerichtet, so wie es in früher Zeit ausgesehen hat.