Ein Brauchtum im Coburger Land, dass bis in die Hälfte des 19. Jahrhunderts
von den Choradstanten gepflegt wurde
Die Choradstanten setzten auch nach dem 2. Weltkrieg in Weißenbrunn vorm Wald die Tradition fort - wenn auch das "Umsingen - in den frühen Morgenstunden nicht mehr gepflegt wurde
Repro: Ulrich Göpfert
Die Choradstanten bei der "Musikprobe" im Wirtshaus
Illustration Rudolf Köselitz
Repro: Ulrich Göpfert
Nach einer kurzen Nacht mit wenig Schlaf weckte mich um 5 Uhr früh die Base (Cousine) mit einem Licht in der Hand. Es war grimmig kalt, ein eisiger Wind pfiff durch die Gassen, als die Choradstanten sich mit zahlreichen Lichtern auf den Weg zur Kirche machten. Bei fast greifbarer Finsternis stiegen sie in dem alten Gemäuer zum Glockenstuhl empor. Während die Glocken nebenan noch zitterten und verhallend tönten, stimmten sie mit Trompetenklang und Posaunenhall einen Choral an. Feierlich klangen die Akkorde über das stille Dorf dahin. In den offenen Fenstern tief unten lauschten dunkle Gestalten. Das war der Beginn des Umsingen, gewiss ein schöner Anfang.
Trefflich beschreibt der fränkische Heimatdichter und Erzähler Heinrich Schaumberger, der von 1843 bis 1874 in Weißenbrunn vorm Wald lebte und im frühen Alter von 31 Jahren gestorben ist, in seinen "Bergheimer Musikantengeschichten“ das Umsingen der Choradstanten. "Bergheim“ nannte er poetisch in seinen Werken den heutigen Stadtteil Weißenbrunn vorm Wald im Bereich der Stadt Rödental. Zu dessen damaliger Pfarrei zählten 14 weitere Ortschaften im Umkreis. Diese wurden "beim Umsingen" alle von den Choradstanten aufgesucht.
Bei klirrender Kälte stehen die Choradstanten in einem bäuerlichen Anwesen in Weißenbrunn v. W. und geben ihre Weisen zum Besten, in Erwartung einer reichlichen Entlohnung durch die Bauersleute
Illustration Rudolf Köselitz
Repro: Ulrich Göpfert
Diese uralte Einrichtung des Umsingen bestand noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in fast allen Kirchengemeinden des Coburger Landes. Die Choradstanten waren eine fast zunftähnliche Vereinigung von Sängern und sonstigen musikalischen Leuten, die an hohen Festtagen unter der Leitung des Kantors die Kirchenmusiken aufführten. Ihre Existenz lässt sich heute noch über mehr als 300 Jahren nachweisen. Noch immer finden sich Mitglieder, die den Fortbestand der Weißenbrunner Choradstanten sichern. Die Gesänge der Schulknaben begleiteten die erwachsenen Choradstanten mit Streich- und Blasinstrumenten. Eine Vergütung wurde dafür nicht gezahlt. Dafür war zwischen Weihnachten und Neujahr das Singen und Musizieren von Haus zu Haus am Ort und allen anderen zum Kirchspiel gehörenden Dörfern und Höfen gestattet.
Dieses Schild war an ihrem Fuhrwerk angebracht, als die Choradstanten im Jahre 1952 zu einem Auftritt in Neukirchen waren
Repro: Ulrich Göpfert
Dieses "Umsingen" war die Haupteinnahmequelle für den Chormeister. In vielen Fällen war es der Schullehrer. Die anderen Mitglieder kamen durch gute Bewirtung in gastfreundlichen Häusern des Ortes vortrefflich auf ihre Kosten. Dort wurde entweder mit klingender Münze bezahlt oder die Musikanten und Sänger mit Speise und Trank bewirtet. Dass es bei diesem "Umsingen" fröhlich und ausgelassen zuging, kann man sich sicher vorstellen. Auch wird mancher Choradstant am nächsten Tag mit einem "dicken Brummschädel" nach dem Genuss diverser "geistiger Getränke" aufgewacht sein.
Den dicken gutmütigen Hanshenner hat es mit seinem Riesenbass den Abhang "hinuntergepfeffert",
er hatte wohl zu viel der "geistigen Getränke" zu sich genommen
Illustration Rudolf Köselitz
Repro: Ulrich Göpfert