In früheren Jahren war im Festungshof der Veste Coburg ein Bärenzwinger aufgestellt. Hinter dem starken Gitter wurden die mächtigen Tiere gefangen gehalten. Wenn der alte Wärter mit dem Futter herbeikam, die zottigen plumpen Gesellen sich brummend am Gitter aufrichteten, da überkam die zuschauenden Kinder immer ein Gruseln: "Die Gitterstäbe werden doch stark genug sein?“ Aber einmal ist es doch geschehen, dass die Bären den Käfig verlassen konnten.
Der Burgherr feierte eines Tages ein großes Fest. Die Damen und Herren saßen an der reich gedeckten Tafel und ließen sich Speise und Trank wohl schmecken. Plötzlich erhob sich ein furchtbares Brummen draußen im Flur, und zwei große Bären drangen zur Tür herein. Der Wärter hatte versäumt, die Tür des Käfigs sorgfältig zu schließen, und die Bären hatten die Gelegenheit benutzt, um sich einmal die Welt außerhalb der Gitterstäbe zu beschauen. Entsetzt blickten die Gäste auf die beiden riesigen Tiere und wußten vor Angst nicht, was sie tun sollten. Der eine floh hinter den Tisch und stellte voll Furcht einen Stuhl vor sich hin, der andere suchte Zuflucht auf dem Ofen, ein Dritter hatte ein Gewehr erfaßt und sucht sich und die anderen zu retten.
Dieser Bär ist im Zwinger der Veste Coburg zu sehen
Foto: © Ulrich Göpfert
Aber alle wurden beschämt durch eine Edeldame. Sie zeigte Mut und verlor ihre Geistesgegenwart nicht, nahm schnell einen Teller mit Früchten und anderen Süßigkeiten vom Tisch und reichte ihn dem einen Bären hin. Der wiederum konnte sich nicht entschließen, das freundliche Angebot der schönen Damen zurückzuweisen und ließ sich die Süßigkeiten wohl schmecken. Indes kam auch der Wärter herbei, und ihm gelang es, die beiden Bären wieder in ihren Zwinger zurückzubringen.
Zur Erinnerung an diesem Vorfall ließ der Burgherr ein großes Bild malen, das heute noch auf der Veste Coburg zu sehen ist. In der unteren Ecke des Bildes stehen die launigen Verse:
"Dem Männlein in der Ecke dort woll`n wir das Leben lassen;
mit Leuten, die sich fürchten, tun wir uns nicht befassen.
Schau lieber schön die Dame hier, die träget höher`n Mut,
sein wir galant Herr Bruder, wie schmecken der Konfekt
und auch die Kirschen gut.“
Quellenhinweis: Andreas Stubenrauch