Die ehemalige Märbelmühle in Oeslau

Ein Rückblick

Sie war die erste Märbelmühle im Coburger Land und wurde wegen eines Monopolstreites im Jahre 1806 stillgelegt.

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Die ehem. Oeslauer Märbelmühle
Repro: Archiv Ulrich Göpfert

Der "Geheimbde Rath" Moritz August von Thümmel erwarb am 29. Juni 1771 die auf Wunsch des Herzogs Ernst Friedrich auf seinem Kammergut zu Oeslau im Jahre 1765 errichtete Holzsteinfabrik.

Galanteriewaren
In diesem Steinschneidewerk wurde versteinertes Holz aus der Gegend von Walbur und Rodach zu allerlei Galanteriewaren: Dosen, Stockknöpfen, Degengefäßen, Uhrengehäuse verarbeitet. 2091 Reichstaler, jeden Taler zu 18 gute Batzen, betrug der Kaufpreis für die erst vor einigen Jahren neu errichtete Mühle an der Röden (spätere Porzellanfabrik Walther). Dieser Kaufpreis war an die Erben des verstorbenen Juden Jakob Seeligmann zu Memmelsdorf zu zahlen, von dem der Herzog eine weit höhere Summe geliehen hatte.

Kaufvertrag mit Auflagen und Vergünstigungen
Der Kaufvertrag sah vor, dass Herr von Thümmel das Wasserwerk samt Haus und Platz bis zum Floßgraben übernimmt. (Der Graben war angelegt worden, um den Mühlenbetrieb, während der Flösszeit nicht zu beeinträchtigen). Über diese Flößerei im Coburger Land habe ich in einem besonderen Beitrag bereits berichtet. Ihm war außerdem gestattet einen Fahrweg von der Landstraße über die herrschaftlichen Wiesen anzulegen und die Fischerei rings, um die Mühle auszuüben. Ihm wurde auferlegt, dass er den Eichpfahl, der die Stauhöhe des Wehres festlegt, nicht versetzten durfte, damit die Wiesen der Anlieger nicht durch Wasserstauung übel geschädigt werden. Außerdem durfte er in das Werk keine Mahl-, Schneid- oder Ölmühle einbauen, dagegen könne von ihm auch ein anderes Gewerbe nach vorheriger Genehmigung betrieben werden.

Außerdem wurde von Thümmel die Genehmigung erteilt, die zum Betrieb seiner Kugelmühle nötigen Marmor- und anderen Steinen auf allen Felder sammeln zu lassen. Allerdings durfte dabei die Bestellung der Felder nicht beeinträchtigt werden. Zur Erleichterung seines Betriebes wurden im 2/3 der Geleits- und Zollabgaben erlassen und die Zusicherung erteilt, dass niemanden in den "Herzoglichen Landen" gestattet werden soll, ein ähnliches Werk zu errichten oder zu betreiben. Herr von Thümmel hatte die Mühle übernommen, um ein für die hiesige Gegend völliges neuartiges Gewerbe zu eröffnen: das Herstellen von Märbeln, Mermel, Schusser, Schnellkügelchen, Schosser, Schusserten, Klucker, Marmel, Klicker, Schröpfer. Pascher und Märbel, so nennt man die kleinen runden Kugeln, die seit langer Zeit bis heute zur Unterhaltung und Kurzweil der Jugend im Gebrauch sind.

Diese Kugeln wurden bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ausschließlich im Salzburger Land hergestellt. Sonneberger Kaufleute bezogen von dort diese Kugeln und verkauften sie weiter, damals bis nach Holland. Der Transport von Salzburg bis nach Sonneberg kostete erhebliches Geld (Fuhrmannsbetrieb). Was lag näher, als der Wunsch, die Märbel im eigenen Land herzustellen?

Die Salzburger verrieten das Geheimnis des Herstellungsverfahren nicht
Der Kaufmann Bischoff aus Sonneberg reiste nach Salzburg zu seinen Geschäftsfreunden, um die Herstellung der Kugeln kennen zu lernen. Enttäuscht kehrte er zurück. Er konnte keine Märbelmaschine sehen, denn die Salzburger wahrten ihr Geheimnis. Deshalb versuchte man jetzt mit viel Mühe, hinter das Geheimnis der Märbelherstellung zu kommen.

Steinachern gelang der Bau
Endlich gelang es vier Männern aus Steinach im Thüringer Wald, eine Maschine zu bauen, mit der man aus viereckig behauenen Kalksteinchen Kugeln mahlen konnte. Diese Maschine war allerdings sehr klein und wurde mit der Hand betrieben. Sie wurde am 29. Dezember 1768 in einem Kasten auf dem Rathaus zu Sonneberg deponiert. Gleichzeitig wurde den sich streitenden Erfindern verboten, ihre Erfindung ins Ausland zu verraten. Einer der vier Erfinder erklärte der Regierung von Meiningen, dass er ein Modell von der Märbelmühle hätte und für eintausend Taler nach Coburg verkaufen könne, wenn es die "gnädige Herrschaft" erlauben würde. Es ist anzunehmen, dass der Herr "Geheimbde Rath" die Kenntnisse des Märbelmahlens von diesem Sonneberger erwarb. Die Akten allerdings schweigen darüber.

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Das Bild zeigt die Ortschaft Oeslau und links die Märbelmühle
Repro: Archiv Ulrich Göpfert

Herstellungsverfahren
Nach dem Erwerb der Mühle werden zwei Märbelgänge eingebaut und in Betrieb genommen. Aus einem Reisebericht aus dem Jahre 1781 erfahren wir die genaue Einrichtung und das Herstellungsverfahren: Die Steinmühle des Herrn Geheimrat von Thümmel besteht seit 1771 und liegt in der Nähe von Coburg bei dem fürstlichen Kammergut Oeslau an dem Flüsschen Röden. Dort werden jährlich 2 bis 2½ Millionen Steinkugeln oder Schusser von verschiedener Größe bis zu einem Zoll im Durchschnitt gemahlen. Sie werden aus allen Gattungen Steinen, besonders aus einer Art festen oder marmorierten Kalkstein hergestellt. Diese Steine kann man auf den naheliegenden Feldern finden und werden dort von den Bauern gesammelt und im Herbst und Winter mit einem eisernen Hammer, der wie ein Dengelhammer, womit Sicheln und Sensen geschärft werden, gestaltet ist, zu viereckigen Steinen gehackt und zur Mühle gebracht. Die Märbelmühle besteht aus einem Wasserrad, mit einem Kammrad versehen, das einen runden Mühlstein herumtreibt, in diesem befinden sich Furchen und Rillen.

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Der Märbelgang
Repro: Archiv Ulrich Göpfert

Die Beschreibung des Bildes
Der Stock ist hochgezogen, die Schmutzbretter sind weggenommen. Nun kann der Märbelmüller die fertigen Schusser von der eisernen Mahlplatte nehmen und neue Steinwürfelchen auflegen. Dann kann der Stock wieder herabgelassen werden und das Mahlen von neuem beginnen. Über diesen Mühlstein wird ein eichenes, rundes Bloch in Form eines Mühlsteins festgelegt, so dass es sich nicht herumbewegt. Zwischen diesem Bloch und dem beweglichen Stein werden die Märbel laufend abgeschliffen.

Das Bloch kann beim Einegen und Ausnehmen der Märbel mittels eines Seiles, einer Rolle und aufrechtstehender Winde gehoben werden. Stein und Bloch sind mit einem bretternen Kasten umgeben. Damit teils das Abschleifen befördert, teils die Erhitzung des Steines und des Bloches verhindert wird, sind an das Wasserrad einige Schöpfschaufeln angebracht, welche Wasser in eine Rinne ausgießen, die es zwischen den Stein und das Bloch führt. Das Abschleifen erfolgte in nur einer halben bis dreiviertel Stunde. Die Mühle hat zwei Gänge, die von ein paar Personen besorgt werden können.

Geschäftsgang ging recht und schlecht
Die Mühle wurde recht und schlecht betrieben. Es wurden nach einer "Rechnungslegung" in fünf Jahren nur 4 Millionen Märbel gemahlen. Diese wogen 500 Zentner. Für ihren Abtransport waren 50 einspännige Karren erforderlich. 7 Gulden und 10 gute Groschen Zoll und Geleitsgeld mussten dafür bezahlt werden. 2/3 dieser Abgaben erhielt von Thümmel jedoch wieder zurück. Trotzdem sich hauptsächlich im Meininger Oberland eine Menge Mühlen auftaten, konnte sie sich gut halten. Im Coburger Land durften keine weiteren Märbelmühlen eröffnet werden, weil von Thümmel das Monopol hatte.

Der Monopolist von Thümmel
Diese "Concession exklusive“ (Monopol) wurde einige Jahre nach Eröffnung der Oeslauer Mühle Gegenstand heftigen Streits. Auch die Coburger Geschäftsleute nahmen in den kommenden Jahren den Märbelhandel in ihren Geschäftsbereich mit auf. Sie mussten ihren Bedarf meist aus dem Ausland, aus Meiningen decken. Auf diese Einfuhren fielen entsprechende Zollabgaben an, was natürlich von den Geschäftsleuten wegen des Monopols des Herrn von Thümmel nicht gerne gesehen wurde.

Verdrängungswettbewerb gab es damals auch schon
Gegen das "gemeinschädliche Monopolium" wagte es der Kaufmann Streb als erster gegen von Thümmel vorzugehen. In seiner Bittschrift an den Herzog führte er an, dass er von der Absicht geleitet ist, den Gewerbefleiß des Landes zu fördern und den Armen Verdienst zu beschaffen. In hiesigen Landen gibt es genügend Material zu diesem Fabrikat und der Absatz ist nicht unbeträchtlich. Es könnten viele Mühlen in Betrieb genommen werden, wenn von Thümmel nicht das Monopol hätte. Dieses Monopol ist als gemeinschädlich anzusehen, weil es die anderen Untertanen am Mitgenuss möglicher Verdienststeigerungen hindert. Das könnte doch nicht der Wille des hohen Herrn Landesfürsten sein.

Kaufmann Streb fand ein geneigtes Ohr bei Herzog Franz
Da mittlerweile der hohe Gönner des Herrn Geheimbden Rathes, der Herzog Ernst Friedrich, gestorben und sein Sohn Franz die Regentschaft übernommen hatte, fand der Kaufmann Streb ein geneigtes Ohr. Von Thümmel wehrte sich. Er weist auf seine Verdienste im Staatsdienst hin und richtet einige Briefe persönlich an den Herzog. Doch dieser erteilte Streb die "Concession zur Errichtung einer Schussermühle" bei Waldsachsen und Schaffhausen. Noch einmal wehrte sich von Thümmel, doch ohne Erfolg. Sein Administrator wird sogar wegen Ungebührlichkeit zu einer Buße von 50 Talern verurteilt.

Spezialbefehl des Herzogs
Zur grundsätzlichen Regelung erlässt der Herzog einen Spezialbefehl an das Ministerium, worin er betont, dass Monopolien nach den Reichsgesetzen verboten sind. Das Monopolium von Thümmels sei aber das allergehässigste, weil das Material zu dieser Fabrikation hinlänglich im Lande vorhanden und der Absatz nur in das entfernteste Ausland denkbar ist.

Zusätzlich Zwiste mit den Nachbarn
Neben diesem Hauptstreit laufen dauernd Zwiste mit den Nachbarn. Der Zufahrtsweg bereitet Schwierigkeiten, das Wehr wird zu hoch gesetzt, der Eichpfahl steht nicht recht, die "Floßpompe" muß in Ordnung gehalten werden (Floßpompe ist das Überfallwehr am Floßgraben, der neben der Mühle angelegt ist) und die Märbelpicker verlangen höhere Preise. Diese liefern sogar ins Ausland, in die Meiningischen Mühlen. Von Thümmel erreicht sogar ein Ausfuhrverbot für Märbelsteine, das allerdings nach kurzer Zeit wieder aufgehoben wird.

Ein großes Politikum
Von Thümmel hat wie alle Märbelmüller um diese Zeit fast alle Märbel nach England verkauft. Dort wurden sie als Kartätschenkugeln in den Seekriegen verwendet. Diese Steinkugeln richteten in der Takelage der Segelschiffe mehr Verwüstungen an als die Eisenkugeln und waren noch dazu billiger als diese. Als Napoleon die Kontinentalsperre gegen England errichtete, konnten keine Märbel mehr dorthin verkauft werden. Der Absatz sank auf den Nullpunkt. In der Märbelmühle in Oeslau mussten deshalb "Feierstunden" eingelegt werden. Dann kam die Rettung. Herzog Franz kaufte die Mühle zurück und beendete damit den Streitfall "Monopolium" endgültig und enthob dadurch auch von Thümmel seiner Sorge um die Mühle. Am 3. Mai 1805 erfolgte der Rückkauf und am 25. September 1806 wurde die Mühle stillgelegt.

Quellenhinweis: Andreas Stubenrauch

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